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Dünengrab

Dünengrab

Titel: Dünengrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Koch
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deswegen nachging, um einige morbide Interessen zu befriedigen.
    Fee sah Tjark weiter fragend an. Also erklärte er ihr den Anlass seiner Präsenz – und dass niemand hätte ahnen können, dass er dabei auf mehrere Leichen stoßen würde, falls die Grabhügel hielten, was sie versprachen.
    »Aha.« Sie trank einen Schluck aus ihrem Becher. »Wer ist die Vermisste? Gibt es Daten zu Vikki Rickmers?«
    Tjark nannte ihr die Fakten und schilderte die Begleitumstände des mutmaßlichen Verschwindens. Gerade wollte Fee eine weitere Frage stellen, als der Leiter der Spurensicherung meldete, dass sie das Grab Nummer eins zur Beschau durch die Rechtsmedizin freigeben könnten. Fee und Tjark gingen zu dem etwa einen Meter tiefen Loch und stellten sich am Rand neben das Videokamera-Stativ. In dem Loch lag etwas, das wie ein Körper aussah. Er war in eine Plane aus grobem Gewebe gewickelt, mit Stricken verschnürt und glich einer Mumie. Es war nicht schwer zu erraten, was sich in der Verpackung befinden würde: deutlich mehr als nur ein Fuß.

20
    Ein Kollege von der Spusi hatte auf Fees Geheiß ein Stück der Plane entfernt. Darunter war ein Kopf zum Vorschein gekommen. Der Kopf sah aus, als sei er explodiert. Fee äußerte die Vermutung, dass der Krater von einem Schrotgewehrschuss mit großkalibriger Munition aus nächster Nähe verursacht worden war. Sie bestätigte ebenfalls, dass es sich bei dem Opfer nicht um Vikki Rickmers handeln konnte. Vikki Rickmers hatte schwarze Haare. Die der Toten waren blond. Vikki Rickmers war vor achtundvierzig Stunden verschwunden. Die Tote musste schon zwei Wochen oder länger hier liegen.
    »Lässt du sie ins Institut bringen?«, fragte Tjark. Er massierte sich die Nasenwurzel. Die Bretter auf dem Boden fühlten sich an wie die Planken eines wankenden Schiffes. Seine Speiseröhre brannte.
    »Ja.« Fees Augenwinkel zuckten. »Eine Leichenhalle beim Bestatter oder die Pathologie im Klinikum von Aurich reicht hierfür sicher nicht aus.« Sie schwieg einen Moment und trat einen Schritt zur Seite, als der Körper aus dem Boden gehoben und auf eine Bahre gelegt wurde. »Ich will den Teufel nicht an die Wand malen«, fuhr sie fort, »aber in den anderen Gräbern finden wir doch sicher keine Piratenschätze, oder?«
    Tjark antwortete nicht. Fee trat etwas näher. Sie sagte leise: »Hey, ich kann nichts dafür, dass mein Telefon und nicht das von Ben Lüderitz geklingelt hat, okay? Verhalten wir uns also wie professionelle Superbullen – wie Bones und Special Agent Booth im Fernsehen, die alles andere professionell ausblenden können.« Sie hob die rechte Hand, spreizte den Mittel- und Ringfinger, bildete damit ein V wie beim vulkanischen Gruß von Mister Spock und sagte: »Friede.«
    Tjark massierte sich die Schläfe. Vermutlich kam Fee die enge Zusammenarbeit ganz gelegen. Aber sie waren nicht Bones und Booth, und es war leicht, sich abgeklärt und professionell zu verhalten, wenn man kein Ermittlungsverfahren am Hals hatte. Scheiß drauf, dachte Tjark und antwortete mit dem gleichen Zeichen.
    Fee lächelte leicht. Dann klemmte sie ihr Buch unter den Arm, griff sich die Alukoffer, ging an Tjark vorbei und sang dabei leise einen Song von den Ramones mit der Melodie von Pet Cemetery, als der steife Wind wieder ihr Haar erfasste: I don’t want to be buried in a Coast Cemetery …
    Tjark stemmte die Hände in die Hüften und schüttelte den Kopf. Dann fiel sein Blick wieder auf die Gräber. Er hatte eine Vermisste gesucht und eine Leiche gefunden, der man den halben Kopf weggeschossen hatte, und dem Anschein nach würde es nicht bei der einen bleiben. Ungeachtet dessen, was das Schreckliches zu bedeuten und zur Folge haben würde, blieb nach wie vor eine Frage offen: Wo war Vikki Rickmers?

21
    An diesem Abend fand Femke keine Ruhe. Sie duschte zwei Mal. Nachdem es zu regnen aufgehört hatte, fuhr sie zum Stall und versorgte Justin, der zu spüren schien, dass irgendetwas mit seiner Chefin nicht stimmte. Femke beschloss, ihn aus der Box zu holen und ein wenig an der Longe laufen zu lassen, um zu sehen, ob er nach wie vor lahmte, denn sie hatte keinen Stein im Huf gefunden. Kalte Beklommenheit überkam sie, als ihr klarwurde, dass sich das Lahmen noch verschlimmert hatte. Die Ursachen konnten vielfältig sein. Bei alten Pferden tendierten sie jedoch zur Eindeutigkeit.
    Statt nach Hause zu fahren, bog Femke gegen einundzwanzig Uhr auf die Bundesstraße ein, passierte die Absperrung und vergewisserte

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