Duenenmond
sie sich umzog und an den Flecken zu schaffen machte, überlegte sie ernsthaft, ihren Aufenthalt abzubrechen. Was sollte sie hier noch anfangen mit ihrem Urlaub? Solange sie sich im Hotel aufhielt, musste sie ständig damit rechnen, Jan über den Weg zu laufen. Ihr Zimmer war zwar ausgesprochen geschmackvoll und gemütlich, aber darin die zweite Woche wie in einem Gefängnis zu verbringen, entsprach nicht der Vorstellung, die Jo von gelungenen Ferien hatte. Ging sie an den Strand, konnte sie fast sicher sein, Jan zu sehen. Es war sein Revier. Wenn sie keine Konfrontation wollte, musste sie das Feld räumen. Andererseits gefiel ihr die Region inzwischen so gut, dass der Gedanke an eine verfrühte Abreise wehtat. Das Hotel mochte sie auch, aber bestimmt würde sich in einem anderen Ort etwas Vergleichbares finden lassen. Sie reckte das Kinn und drückte das Kreuz durch. Von diesem Eis-Trottel würde sie sich nicht den Urlaub vermiesen lassen. Entschlossen marschierte sie zur Rezeption.
»Was kann ich für Sie tun?«, fragte das junge Mädchen hinter dem Tresen routiniert.
In dem Moment trat Jan an die Rezeption. Jo hätte den Morgen verfluchen mögen.
»Guten Morgen«, sagte er freundlich.
»Morgen«, antwortete sie knapp.
»Wenn Sie mich ganz kurz entschuldigen würden«, flötete die Mitarbeiterin, eine mollige kleine Person mit lustig wippendem blonden Pferdeschwanz. »Ich gebe unserem Haustechniker nur kurz seinen Einsatzplan, dann habe ich jede Menge Zeit für Sie.«
Jo seufzte. »In Ordnung.« Im Grunde war es ihr ganz recht, wenn er zuerst abgefertigt wurde. Er brauchte ja nicht unbedingt zu hören, dass sie abreisen würde. Daraus musste er zwangsläufig falsche Schlüsse ziehen und am Ende noch glauben, sie hätte sich in ihn verliebt. Jo wandte sich von ihm ab und griff wahllos ein Faltblatt aus einem Plastikständer. Reitausflüge am Strand wurden angeboten. Sie konnte nicht fassen, dass das Werbefoto ausgerechnet eine Frau und einen Mann zeigte, die in den Sonnenuntergang ritten. Das Wasser spritzte hoch um die Hufe der Tiere, die Tropfen glitzerten orange und golden.
»Alles klar, dann fange ich in der siebzehn an«, hörte sie Jan sagen.
Nun wandte sich die Blondine wieder ihr zu: »So, jetzt bin ich für Sie da!«
Jan studierte die Notizen mit seinen Tagesaufgaben und rührte sich nicht von der Stelle.
»Geht es Ihnen nicht gut?«, fragte die Rezeptionistin und ergänzte zu allem Überfluss: »Sie haben doch hoffentlich keine Allergie. Ihre Augen sind ganz geschwollen!«
Jo spürte Jans Seitenblick und hätte diese indiskrete Person am liebsten auf der Stelle geschlagen.
»Allergie würde ich das nicht nennen«, antwortete sie ausweichend. »Aber es geht mir tatsächlich nicht besonders.« Sofort schossen ihr wieder Tränen in die Augen. Es half alles nichts, sie konnte nicht länger um den heißen Brei reden. Wenn Jan sich entschieden hatte, dort neben ihr festzuwachsen, dann musste sie damit leben.
»Es geht mir nicht gut, und darum würde ich gern vorzeitigabreisen«, erklärte sie geradeheraus. Wieder ein Seitenblick von ihm, dann machte er sich endlich davon.
»Oh, das tut mir leid«, erwiderte die Mitarbeiterin. Ihr Gesicht verriet echtes Mitgefühl. »Soll ich Ihnen einen Arzt rufen?«
»Nein.« Das fehlte Jo noch. Sie überlegte, was sie sagen sollte. »Es ist wahrscheinlich nichts Schlimmes, nur eine Sommergrippe.« Sie zwang sich zu einem Lächeln. »Aber Sie wissen bestimmt, wie das ist: Zu Hause im eigenen Bett fühlte man sich in so einer Situation am wohlsten.«
Noch immer drückte das Gesicht der Frau Bedauern aus, doch etwas hatte sich verändert. Jo ahnte Böses.
»Natürlich können wir Sie nicht zwingen, in unserem Hause zu bleiben.« Es war ihr nicht angenehm. »Aber Sie haben eine feste Buchung. Wenn Sie die so kurzfristig stornieren, müssen wir Ihnen …«
»Es ist Hochsaison. Sie werden das Zimmer bestimmt sofort wieder los«, fiel Jo ihr ins Wort.
»Ich bedaure das wirklich sehr, aber so ist es leider nicht. Gerade in der Hochsaison kommen kaum Gäste und fragen nach einem Zimmer, ohne gebucht zu haben. Jeder weiß, dass kurzfristig nichts zu kriegen ist.« Ihr Augenlid zuckte unkontrolliert. »Ich entscheide das sowieso nicht selbst. Ich müsste Sie bitten, in …« Sie sah auf die Uhr. »In einer dreiviertel Stunde noch einmal herzukommen. Dann ist unser Chef da, und Sie können sich direkt an ihn wenden.« Wieder das nervöse Lidzucken.
Jo ließ die
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