Duenenmord
so fest packte sie zu. »Ich habe zugeschlagen, sie ist gestürzt, und ich habe auf sie eingetreten wie eine Furie, ihr Gesicht getroffen und ihre Hände, ja, die ganz besonders! Alles kam hoch, alles brach über mir herein … Irgendwann habe ich mich abgewandt und bin davongelaufen.«
Romy hatte das Gefühl, Kronwalds Aufruhr, ihren rasenden Puls bis in jede Nervenzelle nachspüren zu können. Dennoch fehlte bei der Darstellung, so ehrlich und aufwühlend sie auch sein mochte, eine alles entscheidende Kleinigkeit.
»Frau Kronwald, im Wesentlichen stimmen ihre Schilderungen mit unseren Untersuchungen überein. Das Opfer wies starke Verletzungen von Tritten auf – im Gesicht und an den Händen«, erklärte sie betont sachlich. »Aber gestorben ist sie daran aller Wahrscheinlichkeit nach nicht, wie in der Rechtsmedizin festgestellt wurde.«
»Nein? Aber … Sie hat mir noch hinterhergerufen, aber ich bin … ich konnte nicht zurückkehren, um ihr zu helfen. Es war mir in dem Augenblick egal …«
»Frau Kronwald, die Tritte allein haben Ihnen nicht genügt«, betonte die Kommissarin.
»Wie kommen Sie denn darauf?«, erwiderte sie verwirrt. »Was soll ich denn noch gemacht haben? Sie war verletzt, und ich habe sie dort liegengelassen. Sie hat das Bewusstsein verloren und ist in der Nacht gestorben, vielleicht erfroren.«
»Das hätte durchaus so passieren können, aber die tatsächlichen Geschehnissen verliefen ein bisschen anders«, entgegnete Romy. »Sie haben die schwerverletzte und schließlich bewusstlose Monika Sänger ans Wasser geschleift und sie dort so abgelegt, dass sie ertrunken ist.«
Silke Kronwald starrte sie entsetzt an, dann blickte sie kurz zu Kasper hinüber. »Das kann nicht sein – unmöglich.«
»Vielleicht können Sie sich nicht an alle Details an diesem Abend erinnern.«
»Das will ich keineswegs ausschließen – nur: Das hätte ich garantiert niemals getan.«
»Aha, und warum nicht?«
»Um sie ans Wasser zu schleifen, hätte ich sie anfassen müssen. Das hätte ich nicht ertragen – niemals hätte ich die Frau anfassen können, verstehen Sie? Weder verletzt, noch unverletzt. Ich bin nach Hause gefahren und kann mich kaum noch an den Heimweg erinnern! Als ich von der toten Frau hörte, ging ich davon aus, dass Monika an den Verletzungen gestorben war, die ich ihr zugefügt hatte. Ich hielt das für vorstellbar …«
Das klang durchaus einleuchtend. Romy sah Kasper an, der eine nachdenkliche Miene aufsetzte. Wie gerne würden wir dir glauben, dachte sie, aber die überzeugend klingende Erklärung allein entkräftete den dringenden Tatverdacht keineswegs.
»Wissen Sie, der Staatsanwalt wird wahrscheinlich eher davon ausgehen, dass Sie sogar geplant haben, die Frau für ihre Taten büßen zu lassen, früher oder später, aber dann endgültig«, gab Romy zu bedenken, obwohl sie selbst nicht wirklich an eine vorbereitete Tat glaubte, sondern eher an die Eskalation einer emotional hochexplosiven Situation. »Warum haben Sie die Anonymität gewählt, um Monika Sänger unter Druck zu setzen?«
»Ganz einfach: Sie sollte rätseln, wer sich hinter den Vorwürfen verbarg«, erwiderte Silke Kronwald. »Ich wollte nicht, dass sie mich erkennt, dass sie weiß, wer ich bin und wer ich war …«
»Warum nicht?«
»Die Ungewissheit sollte sie … ja, verunsichern und ihr außerdem die Möglichkeit nehmen, von sich aus Kontakt zu mir aufzunehmen.«
Mit anderen Worten: Silke Kronwald hatte immer noch Angst vor ihrer ehemaligen Peinigerin gehabt. Romy trankeinen Schluck Tee. Sie war unschlüssig, wie sie vorgehen sollten.
»Werden Sie mich verhaften?«, fragte Silke Kronwald plötzlich. »Und in eine Zelle sperren?«
»Nein«, mischte Kasper sich ein. »Das werden wir nicht tun. Aber wir müssen Sie mit ins Kommissariat nach Bergen nehmen, um ein Protokoll Ihrer Aussage anzufertigen und Ihre Fingerabdrücke zu nehmen. Sie dürfen Rügen bis zur endgültigen Klärung nicht verlassen.«
Obwohl sie Kaspers Entscheidung ein wenig vorschnell fand, nickte Romy. »So machen wir es.«
Silke Kronwald wiederholte ihre Aussage wenig später in allen Punkten. Diesmal leitete Kasper die Vernehmung, während Romy die Frau nicht aus den Augen ließ. Sie betonte ihren gewalttätigen Ausbruch, für den sie die volle Verantwortung zu übernehmen bereit war, und widersprach energisch der Behauptung, sie habe Monika ans Wasser geschleift. Sie war überzeugend, sie klang authentisch, und Romy wollte ihr
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