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Duenne Haut - Kriminalroman

Duenne Haut - Kriminalroman

Titel: Duenne Haut - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kabelka
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eigene Festplatte verstopfen wie Fettpfropfen die Herzarterie. Bis es zum Infarkt kommt, zum unvermeidlichen Absturz … Wann ist er das letzte Mal so mit einem Mann zusammengesessen, in dieser gepflegten Mischung aus Distanz und Nähe, aus Lockerheit und Konzentration? Er rechnet nach. Mit Joe letztmals im Mai, mit Edi ist es gar schon Jahre her. Jenseits der fünfzig beginnt das Jenseits … Schon deshalb, weil im Diesseits die wenigen verbliebenen Freundschaften zunehmend die Tendenz haben zu zerbröseln. Weil die Freunde schrullig werden, oder man selbst. Oder sie sterben einem einfach weg. An Lungenkrebs zum Beispiel, wie Fredi, dieser Bludenzer Lehrer, mit dem er sich im Zuge der Ermittlungen zum Pröll-Fall auf eine seltsame Weise angefreundet hatte.
    „Wie hast du das eigentlich angestellt?“, fragt er Prader. „Mit dem Rauchen aufzuhören, meine ich.“
    „War ganz simpel. Eines Tages bin ich aufgewacht und habe kapiert, dass ich das Rauchen nun wirklich schon lange genug kenne. Dass die Sache mir nichts Neues mehr bieten kann. Ein Mangel an Entwicklungsmöglichkeiten, der durch die ständige Erhöhung der Dosis nur verschleiert wird. Da hab ich es gelassen. Wie alles, das mir zu langweilig wird.“
    „Kaum zu glauben! Und kein einziger Rückfall?“
    „Nein. Das Wissen, dass niemand außer ich selbst mir diesen Erfolg rauben kann, war Motivation genug, jedenfalls bis heute. Man soll den Tag ja nicht vor dem Abend loben: Ein ehemaliger Raucher wird erst an seinem Todestag definitiv zum Nichtraucher. So, und jetzt muss ich zur Tanztherapie. Bestellst du uns ein Taxi für den Abend?“
    „Wozu? Wir haben doch unsere eigenen Autos.“
    „Schon. Aber man kann ja nie wissen, wie sich der Abend flüssigkeitsmäßig entwickelt. Oder, Herr Chefinspektor?“
    „Ich verstehe. Also ein Taxi für zwanzig Uhr, gleich nach dem Abendessen?“
    „Lieber schon davor. Sagen wir sieben, dafür bist du in Trauching auf bayrische Schmankerl eingeladen, okay?“ Prader streckt den Daumen fragend in die Höhe, und Hagen antwortet mit derselben Geste.
    *
    Wo muss der Kabarettist jetzt hin? Zur Tanztherapie, du meine Güte! Tanzen, das fehlte gerade noch! Ein Schauder rieselt über seinen Rücken. Wenn er auch nicht an ihn glaubt: Jetzt dankt er dem lieben Gott dafür, dass wenigstens diese Strafverschärfung nicht auf seinem Therapieplan steht.
    Morgen sind es genau zwei Wochen, dass er hier ist. Zwei Wochen lang beschäftigt mit dem eigenen Fall und von einer Lösung weit und breit nichts zu sehen. Auch was Heilung anbelangt, muss man sie zuerst wollen, laut Dr. Grein. Will er? Sein Blick fällt auf ein Aquarell an der Wand, das wohl eine Rosenknospe darstellen soll. Oder sind es halb geöffnete Schamlippen, die ihm da rosarot entgegenlächeln? Er könnte es wirklich nicht sagen. Da ist es wieder, worüber er mit Lisa immer prächtig streiten konnte: das absolut Relative an der Kunst. Keinerlei überprüfbare Fakten, dafür jede Menge stimmungsabhängige Willkür in der Auslegung. Irgendwie sehnt er sich schon wieder zurück in sein graues Loch im LKA. Zu der ganz anderen Ästhetik, die jeder noch so grässliche Fall beinhaltet. Ästhetisch, schön in diesem Sinne ist eine Lösung dann für ihn, wenn die Ergebnisse letztlich zu dem Bild passen, das man sich intuitiv und oft schon in einem frühen Stadium der Ermittlung vom Täter gemacht hat. Kurzfristige Enttäuschungen, okay, die gibt es immer und wird es immer geben; wenn Hypothesen zwischendurch widerlegt werden, wenn man falschen Fährten aufgesessen ist. Aber worauf es ankommt, ist die Befriedigung am Ende des Tages, die man aus der Bestätigung des frühen Bildes schöpft. Das erzeugt im Kriminalisten so etwas wie eine Sucht. Einen Kitzel. Wenn du den nicht mehr spürst, ist es Zeit, in Pension zu gehen. Davon ist er heute überzeugter denn je.
    Zwei Tische weiter hockt eine Frau. Ab und zu tunkt sie ein Croissant in den Kaffee, wie alte Leute es früher zu tun pflegten. Ihre ernsten Augen wecken sein Interesse. Als ihre Blicke sich ineinander verhaken, huscht über ihr Antlitz ein Lächeln, das er nicht recht einordnen kann. Ihr ganzes Erscheinungsbild ist von Gegensätzen geprägt: Fein ziseliert die Nase, Lippen, voluminös wie die von Gina Lollobrigida, ungeschminkt und dennoch feurig die Augen. An ihren Ohren baumeln große Perlmuttringe. Nicht teuer, aber geschmackvoll. Hagen hat es seit jeher verstanden, sich neue Gesichter schnell einzuprägen, aber bei

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