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Duenne Haut - Kriminalroman

Duenne Haut - Kriminalroman

Titel: Duenne Haut - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kabelka
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aus der Gruppe.
    So wie Wilhelm Laub, von dem nur das Hemd zurückgeblieben ist im Raum. Er hat mit nacktem Oberkörper das Weite gesucht.

14 W IESO ?
    Mit der Ausrede, auf die Toilette zu müssen, hat Hagen sich aus der Gruppe verabschiedet. Er hatte keine Lust, sich der lausigen Stimmung noch länger auszusetzen und Dr. Mickl bei ihrem Versuch Gesellschaft zu leisten, das zerschlagene Porzellan wieder zusammenzukleben.
    Eben im Begriff, die Tür zu seiner Unterkunft aufzusperren, hört er aus dem Raum nebenan ein dumpfes Geräusch. Als würde ein Möbelstück umfallen. Kam das nicht aus Nummer zwanzig, wo Laub logiert? Man ist sich schon des Öfteren im Gang begegnet, ohne je mehr als einen flüchtigen Gruß auszutauschen. Hagen zögert: Soll er etwas unternehmen? Möbel fallen nicht von selbst um. Dass sich beim gedemütigten Oberstudienrat Wut und Frust entladen, indem er Stuhl und Tisch umwirft, wäre an und für sich nichts Ungewöhnliches. Aber nach dem einen Polterer bleibt es still im Nachbarzimmer, mucksmäuschenstill. Etwas beginnt in seinem Polizistenbauch zu rumoren. Er entschließt sich, an Laubs Tür zu klopfen. Keine Antwort.
    „Wolfgang“, ruft er, und lauter: „Herr Laub!“
    Wieder negativ. Er dreht am Messingknopf, drückt gegen die Tür. Natürlich ist sie verschlossen. Hagen wendet sich zum Gehen. Ist schließlich nicht sein Bier, was der ausrangierte Lehrer in seiner Zelle so treibt. Misch dich nicht ein! Die Privatsphäre ist heilig, das größte Tabu. Nicht von ungefähr geschützt durch massive Mauern, durch stabile Tore. Wird einem das nicht vom ersten Schnaufer an vermittelt? Andererseits: Wie oft hat er diese Tore und Mauern im Verlauf seines Berufslebens schon einrennen und niederreißen müssen, um dahinter das schiere Gegenteil eines Heiligtums vorzufinden: den alltäglichen Beziehungshorror; die grelle Peepshow der gar nicht so biederen Bürgerseele; und vor allem: Kinderaugen, die übergehen vor Angst.
    Noch ehe er sie sieht, ist sie bereits zu hören: Lucy, die sonnige Stationsgehilfin aus Trinidad. Ihre Absätze zaubern ein rhythmisches Muster in den Korridor.
    „Hallo, Herr Hagen“, grüßt sie, „heute schon fertig?“
    „Nicht ganz“, sagt er. „Aber hätten Sie einen Schlüssel für dieses Zimmer?“ Er zeigt auf die in Alu gestanzte Zahl Zwanzig.
    „Ja. Wieso?“ Sie sieht seine Miene und reagiert schnell. „Ist etwas passiert?“
    Er zuckt mit der Achsel. „Keine Ahnung“, murmelt er, „aber irgendetwas ist hier komisch.“ Sie sucht den richtigen Schlüssel und sperrt auf. Die Tür öffnet sich mit einem leichten Quietschen.
    In der Mitte des Mansardenzimmers baumelt der bis auf die Unterhose nackte Körper Laubs. Dreht sich langsam um die Achse, die der kurze Strick bildet, festgeknüpft am hölzernen Querbalken. Zu seinen Füßen ein umgestürzter Sessel. Die graue Flanellhose, die Laub in der Gruppentherapie trug, liegt ordentlich zusammengefaltet auf dem Bett. Falte auf Falte.
    Zwei, drei schnelle Schritte, und Hagen ist bei ihm. Laubs Zehen sind keine dreißig Zentimeter vom Boden entfernt. Er umfängt die Hüften des Hängenden und stemmt ihn hoch. „Den Stuhl“, keucht er, „hierher!“ Lucy schiebt den Stuhl neben Hagen, hüpft hinauf. Vergeblich versucht sie, die Schlinge vom Hals Laubs zu lösen.
    „Wir brauchen ein scharfes Messer, Lucy! Haben Sie eins?“
    „Nein.“
    „Dann halten
Sie
ihn! Schaffen Sie das?“
    Sie nickt und wuchtet die schlaffe Masse hoch.
    Hagen stürzt hinaus, reißt die angelehnte Tür zu seinem Zimmer auf. Das Stanleymesser! Er findet es auf Anhieb in der Nachtkästchenschublade, spurtet wieder zurück. Mit zwei kräftigen Schnitten ist das Seil durchtrennt, und sie legen Laub auf den Boden. Gemeinsam machen sie sich an die Reanimierung. Er übernimmt die Herzmassage, Lucy die Mund-zu-Mund-Beatmung. Dazwischen rufen sie um Hilfe. Pumpen, beatmen, sieben zu eins, möglichst im Takt. Die Minuten verrinnen, ihre Kräfte lassen nach. Wieso hört sie keiner?
    „Fünfzehn zu zwei“, schlägt sie vor, „das ist leichter.“
    „Okay“, sagt er.
    Laubs Brust quillt auf, solange Lucy bläst. Sobald Hagen auf das Brustbein drückt, sackt sie in sich zusammen.
    Scheiße, verdammt! Langsam kriecht sie wieder hoch in ihm, die blanke Panik: Lisa im Moorgraben, er hüfttief neben ihr und dem großen scharfkantigen Felsbrocken, der ihr zum Verhängnis wurde … Der sinnlose Versuch, den nassen Dreck aus ihrer Mundhöhle

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