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Duenne Haut - Kriminalroman

Duenne Haut - Kriminalroman

Titel: Duenne Haut - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kabelka
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zu unfreiwilliger Selbstentblößung führen könnte. Zu Kontrollverlust. Und das passt dem Oberstudienrat ganz und gar nicht.
    „Es liegt ja gar nicht am Computer an sich“, beginnt er.
    „Du“
, korrigiert sie ihn sanft, „sagen Sie bitte:
Du
bist es gar nicht, an dem es liegt.“
    „Also schön. Du bist es gar nicht, an dem es liegt. Was mich nervt, was mich entsetzt, ist, dass alle so in dich verliebt sind. Vernarrt geradezu, süchtig. Jung und Alt, Schüler wie Lehrerkollegen. Dass sie dich anbeten wie einen … wie einen Götzen! Und wie die natürliche Ordnung deswegen verloren geht.“
    „Welche Ordnung meinen Sie, Wolfgang? Was geht deswegen verloren? Was genau nimmt Ihnen – Ihnen ganz persönlich – dieser Götze weg?“
    Laub gerät ins Stocken. Hagen beobachtet, wie der verbitterte Lehrer die Fäuste ballt und sie dann wieder sinken lässt. Ein zahnloser grauer Panther, trotz seiner kastanienbraun gefärbten Haare. Ein Relikt, das einen in seiner Hilflosigkeit fast schon wieder anrührt. Und dessen Stimme jetzt ausgetrocknet und morsch klingt, auch wenn dahinter noch ein letztes Aufbäumen zu spüren ist.
    „Alles! Alles, was früher einmal das Wesen meiner Arbeit ausgemacht hat. Wofür man anerkannt und geehrt wurde. Was war man in meiner Funktion, in meinem Alter? Vorbild, Maßstab, ein Garant für Ordnung! Heute halten sich schon die zehnjährigen Pennäler für weiser als ihre Professoren, bloß weil sie etwas schneller im Internet nachschlagen können. Geschwindigkeit statt Tiefe. Es ist ja so trivial, so trivial!“ Laub beugt sich vor und versetzt dem Polster einen Schlag mit der flachen Hand. Eine Ohrfeige für einen Computer.
    „Sie möchten ihn schlagen, Wolfgang – nur zu! Aber sprechen Sie weiter dabei. Wie hat Ihre Autorität früher ausgesehen? Was war damals besser?“
    Als hätte sich ein Ventil in ihm geöffnet, beginnt Laub plötzlich wie wild auf das Kissen einzuschlagen. „Lümmel, elender“, schreit er und teilt Hiebe aus, wie keiner es seiner zerbrechlichen Gestalt zugetraut hätte, „was bildest du dir ein! Ich werde dir zeigen, wer hier der Herr im Haus ist! Da und da und da …“
    „Hör auf“, sagt Prader. „Scheiße, hör auf!“ Den strafenden Blick von Dr. Mickl ignoriert er.
    „Ich sage, du sollst aufhören!“
    „Warum soll er aufhören, Ernst? Was löst das in Ihnen aus?“
    „Was das in mir auslöst?“ Seine Augen sind zu dünnen Schlitzen geschrumpft. „Ein klitzekleines Déjà-vu löst das aus in mir! Merkt ihr nicht, dass unser Herr Oberstudienrat das schon in den guten alten Zeiten gemacht hat? Aber nicht mit Polstern – mit Kindern!“ Er steht auf, stapft zu Laub hinüber und lässt sich dicht vor ihm nieder. „Na, Wölfchen, sag’s schon: Du hast doch öfters in deiner langen Karriere den kleinen Rotznasen eine gelangt, wenn deine Ordnungsliebe es erforderlich machte, nicht wahr? Oder hast du dich nicht getraut? Du, der Bewunderer römischer Cäsaren! Hast du den Schwanz eingezogen vor den impertinenten Bengels und Gören?“
    „Ha!“ Laub erwacht aus seiner Erstarrung. „
Den Schwanz eingezogen
– was für eine Diktion! So eine Sprache passt genau zu diesen Plebejern!“
    „Genau! Sie waren wie ich. Impertinent und plebejisch. Und was hast du mit ihnen gemacht? Das da vielleicht?“ Er deutet mit den Knöcheln einen Knuff an. „Oder eher die klassische Ohrfeige, hm? Wie nennt man eine g’sunde Watsche in Stuttgart? Maulschelle, Backpfeife, Wangenstreich – was ist probater, Herr Oberstudienrat? Was passt besser in Ihr Vokabular?“ Sein Gesicht hat sich dem Laubs bis auf wenige Zentimeter genähert.
    „Es reicht, Ernst! Gehen Sie bitte sofort zurück auf Ihren Platz!“ Dr. Mickl klingt erstmals richtig streng. Auch die Mienen der anderen verraten: Hier wurde eine Linie überschritten.
    „Lassen Sie nur! Lassen Sie ihn nur, Frau Doktor.“ Die Worte kommen gepresst, gezischt aus Laubs Mund. „Er will es wissen, er soll es wissen.“ Seine rechte Hand geht wie in Zeitlupe hoch zu Praders linkem Ohr. Zeigefinger und Daumen hat er zu einer Zange geformt, mit der er nach den Haaren des Kabarettisten zielt. Prader weicht keinen Millimeter zurück, als sich Laubs Finger seinen Koteletten nähert. „Nein, keine Maulschellen. Keine Kopfnüsse. Ein paar dünne Härchen nur, ein wenig nach oben, in Richtung Geist gezogen. Das reichte durchaus.“ Die Zange hat jetzt Praders Kotelettenhaare erfasst, spielt mit ihnen mehrere lange

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