Duerers Haende
Nürnberg überführen lassen? Du weißt ja, das ist oben nicht so gern gesehen, wegen der Kosten.«
Ja, das wusste sie. Aber die Kosten waren ihr egal. Schon immer egal gewesen. Doch in diesem Fall konnte sie dem Steuerzahler diese kostspielige Fahrzeugüberführung ersparen. Bevor Dennerlein ausgeredet hatte, war ihre Entscheidung gefallen.
»Darauf können wir verzichten. Wobei ich auch jede Wette eingehe, dass ihr am oder im Wagen einschließlich Fahrerhaus nichts finden werdet. Das war kein Raubmord.« Dennerlein nickte zustimmend. »Du kannst dich erinnern, selbst sein ganzes Bargeld hat man ihm gelassen. Da geht es um etwas anderes.«
Man hatte Shengali bewusst auf diesen abgelegenen Parkplatz gelockt. Um allein und ungestört zu sein. Vor Zeugen sicher. Obwohl … dafür gab es verschwiegenere Plätze als diese idyllische Fahrstraße, die von den Bewohnern der umliegenden Dörfer sicher für gelegentliche Einkaufstouren oder jetzt im September für Ernteeinsätze genutzt wurde. Das hier eignete sich eher als Bühne für eine dramatische Verabredung, für eine ernste Aussprache, für ein klärendes Wort. Und dennoch war es für Paula Steiner der Ort, wo ein in Basra aufgewachsener Iraker sein Leben verlor. Nach dieser Verabredung, die seine letzte, eine todbringende werden sollte. Ein sanfter Mann, der Frau und Tochter gleichermaßen ihren Willen ließ, der auf Spitzen und Anwürfe lieber mit Schweigen als mit Streit reagierte. Der Lieblingsfahrer von Siegfried Frey, zuverlässig, korrekt, freundlich. Und ein Mann mit dunklen Locken und diesem eigenartig schönen markanten männlichen Mund.
»Frieder meint, der Tote ist mit einer Eisenstange von vorn erschlagen worden.« Klaus Dennerlein nickte wieder. »Das könnte ein alter mechanischer Wagenheber aus einem Oldtimer sein, habe ich mir sagen lassen. Aber ich glaube nicht, dass ihr da fündig werdet. Der ist sicher längst entsorgt. Sag mal, Klaus, was anderes, habt ihr eigentlich bei der Leiche am Wasserwerk ein Handy gefunden?«
»Aber Paula, das hätte ich dir doch schon längst gesagt. Nein, haben wir bis jetzt nicht gefunden.«
»Hm. Dann wird es auch nicht mehr auftauchen. Genauso wenig wie die Tötungswaffe. Aber vielleicht gibt es ja irgendwelche verwertbaren Reifenspuren?«
Jetzt schüttelte Dennerlein erstmals entschieden den Kopf. »Paula, das war am Montag. Heute haben wir Donnerstag. Drei Tage, in denen es pausenlos geregnet hat. Proben nehmen wir auf jeden Fall, doch Hoffnungen solltest du dir in diesem Punkt nicht machen.«
Sie winkte den Nächstbesten der herumstehenden Landgendarmen zu sich, einen großen Mann mittleren Alters mit einem ungeheuer feisten, rosafarbenen Gesicht und einem ungeheuer liebenswürdigen Lächeln, das aus dieser prallen Oberfläche sogar zwei Grübchen hervorzaubern konnte.
»Hat es in Kinding und Umgebung die letzten Tage geregnet?«
»Geregnet ist der falsche Ausdruck. Geschüttet trifft es eher. Wie schon den ganzen August über. Unsere Bauern hoffen immer noch auf ein paar warme Tage, wegen der Ernte. Bis jetzt aber vergebens. Auch im September hat es jeden Tag …«
»Danke.« Sie wandte sich wieder Dennerlein zu. »Dann können wir das vorläufig also abhaken. Aber eins ist hier oder da hinten«, sie machte eine ausladende Handbewegung auf das rechts vor ihr liegende Waldstück, »mit Sicherheit: Shengalis Blut.«
»Du bist also überzeugt, er wurde hier umgebracht?«
»Ja. Du nicht?«
»Doch. Ich auch. Sieh dir mal das Fundament an.«
Sie blickte fragend zu ihm auf.
»Erinnerst du dich nicht an den Sand auf Shengalis Sakko? Und das hier«, wieder diese typische Handbewegung nach unten, »ist Eins-a-Ware. Beste Rundsande aus Quarz, wie sie für das Altmühltal so kennzeichnend sind. Bodenproben habe ich schon genommen. Ich bin mir sehr sicher, dass sie mit den Sandkörnern auf der Jacke identisch sind. Das hier war der Tatort. Auch wenn unsere Hunde bis jetzt nichts gefunden haben. Noch«, betonte er, »nichts gefunden haben. Jetzt sind sie dort«, er drehte sich um und zeigte auf eine Baumgruppe links, hinter der eine Wiese oder ein Acker grün hervorleuchtete. »Hast du die Spedition eigentlich schon benachrichtigt?«
»Nein, ich wollte euch einen zeitlichen Vorsprung geben, damit ihr in Ruhe arbeiten könnt.« Das war gelogen. Sie hatte die Freys schlicht vergessen. Eine Vergesslichkeit, die sie beizubehalten dachte. Als Kommissarin, die diesen Einsatz hier beaufsichtigte, durfte sie sich
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