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Dürre Beweise

Dürre Beweise

Titel: Dürre Beweise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Rebhandl
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Mutter?“
    Er fragte das höchst routiniert, denn Entführungen und Morde an Kindern passieren meist im engeren familiären Umfeld. Dass mal ein hausfremder Elektriker zuschlägt, der gerade die Kabel verlegt, kommt bei Weitem seltener vor, als man denkt. Ich sagte: „Tja, die kommt theoretisch für das Verschwinden der Tochter infrage, liegt aber praktisch seit ein paar Tagen mit nur noch 35 Kilo im Krankenhaus und stirbt mehr oder weniger schnell an Krebs.“
    Als es dann endlich lief, war das ein Riesenhurra und eine richtige Erleichterung für uns beide, und ich sagte ihm, welch große Angst ich gehabt hatte, dass die Leiche hier das Mädchen sein würde, das ich suchte. Aber mit der Erleichterung kamen bei Gutti auch wieder ein paar vernünftige Gedanken, und jetzt gerade fiel ihm etwas ein: „Du klammerst dich wie alle an eine vage Hoffnung und glaubst, dass letztlich alles gut wird, aber hör zu, es wird nie alles gut, nie. Gestern riefen uns nämlich die Jungs aus Bratislava an, Gewaltdelikte West-Slowakei inkl. Donau und March. Die rufen immer an, wenn sie eine Leiche aus dem Wasser fischen, das vorher durch unser schönes Land geflossen ist, nur nie, wenn bei ihnen ein Schatz oder so was angeschwemmt wird.“
    Bratislava war ein hartes Pflaster, viele Drogen, viele Banden. Eine Leiche weniger bedeutete einen Haufen Arbeit weniger für die Jungs, ich konnte sie also voll verstehen, Guttmann sagte: „Ich hab auch noch nie erlebt, dass wir eine Leiche zurückgekriegt hätten, die irgendwas in der Tasche hatte, verstehst du das? Nie! Normalerweise haben sie immer ein bisschen Geld dabei, jeder. Aber die aus Bratislava, nie! Was sagt uns das?“
    „Sie räumen ihnen die Taschen leer?“
    „Es heißt korrekt: Diese Arschlöcher räumen ihnen die Taschen leer!“
    „Du magst die Jungs dort nicht besonders, was?“
    „Bevor die überhaupt einen Finger rühren, sagen sie schon: ‚Die Leiche kommt von euch!‘ Anstatt sie einfach immer weiter hinuntertreiben zu lassen in Richtung Rumänien, wo diese Scheiß-Donau ins Meer mündet. Bis dorthin fließt sie durch fünf Länder, und es wäre dann viel schwieriger, herauszufinden, wo die Leiche herkommt, und viel einfacher zu sagen: Von uns kommt sie nicht! Jedenfalls riefen die gestern an, Moment …“
    Er tropfte ab und packte ein, dann holte er einen Zettel aus seiner Tasche und sagte: „Hier hab ich’s aufgeschrieben: Ca. 12- bis 15-jährige weibliche Leiche, bekleidet. Und jetzt pass auf: Sie hatte vollgeschissene Hosen.“
    Ich sagte: „Uuuh!“
    „Ja, uuuh! Ich hoffe, du hast nicht den gleichen Virus wie sie.“
    ***
    Normalerweise war ich ja der „Bitte nicht nach Bratislava!“-Typ, die Stadt hatte sich als Fressburg einen Namen gemacht, man kriegte dort billige Schnitzel und Tätowierungen auf den Körper, der vom billigen Schnitzel ganz fett geworden war, und sonst auch alles, was es bei uns gab, nur um ein paar Cent billiger. Übers Jahr gerechnet konnte man sich dabei vielleicht ein paar Euronen sparen, und das war vielen ein richtiges Anliegen, mir aber nicht.
    Nun war ich aber auf dem Weg dorthin und lenkte den Datsun zur Adresse, die Guttmann mir genannt hatte, Slowakische Gerichtsmedizin. Dort brachte ich beim Eingang mein Anliegen vor, man ließ mich anstandslos bis zur Kühlhalle vor, aber dort geriet mein guter Lauf ins Stocken, und ich stand da wie ein Idiot und wartete. Die haben da so eine blöde Art aus den Zeiten des Kalten Krieges, die sie scheinbar nicht aus dem Blut kriegen – dich warten lassen und dir das Gefühl geben, dass sie dich von irgendwoher beobachteten.
    Endlich kam dann doch noch der Chef vom Ganzen, seine dicken gelben Finger zeigten, dass er gerne allen alles wegrauchte, sogar seine weißen Haare waren gelb, nur sein Gesicht war grau. Er schien dem Tod näher zu sein als Lemmy an einem ganz schlechten Tag, aber das stand hier vielleicht sogar in der Ausschreibung, dass man das musste. Einzig sein Mantel, der vielleicht mal weiß gewesen war, jetzt aber richtig dreckig, deutete darauf hin, dass er Arzt war, aber auch nur, weil da Dr. Jiři Irgendwas auf seinem Schildchen stand. Mich erinnerte er aber mehr an einen Agenten oder Spion in Fleischhauer-Tarnkleidung, an irgendwas mit James Bond jedenfalls.
    Als er mir die Hand schüttelte, tat er das mit der Kraft des Eisernen Vorhangs, sein Deutsch war gut, seine Stimme tief. Ich verhielt mich reserviert, er sich auch. Ich mochte ihn von Anfang an nicht, er mich auch

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