Dürre Beweise
gute Tat schon erledigt gehabt und uns Weibern und Fusel zuwenden können.
***
Im Auto fragte ich dann Ku, wie er denn die Lady im Koma zum Reden bringen wollte, dazu hatte er folgende Geschichte parat: „Es gab da mal einen Kerl bei einer französischen Modezeitschrift, der hatte einen Schlaganfall, sein Körper war tot, aber sein Geist war hellwach, jedoch in diesen toten Körper eingesperrt, Locked-in-Syndrom nennt man das.“
Ich lenkte den Wagen durch das Schneetreiben und überlegte, wie sich das wohl anfühlte, so eingesperrt in einen toten Körper, und ich dachte: Wohl nicht so gut.
Ku: „Alle hatten ihn aufgegeben, nur seine Sekretärin sah, dass er sein linkes Augenlid ganz leicht bewegen konnte, und dass er seiner Umgebung damit etwas sagen wollte, und sie verstand als Einzige auch, was: Dass nämlich einmal Zwinkern ein A bedeutete, zweimal zwinkern ein B …“
„… und dreimal Zwinkern ein C?“
„Ja, du Idiot! Und ob du es glaubst oder nicht, aber 26 Mal zwinkern hieß Z, und irgendwann konnten die beiden wirklich miteinander reden.“
„Das dauerte dann aber ein bisschen, oder?“
„Ja natürlich!“
Ich sagte: „Du willst jetzt also zu der Lady fahren und sie fragen, ob sie vielleicht mit ihrem linken Auge zwinkern kann, damit wir mit ihr reden können? Ku! Was machen wir, wenn sie’s nicht kann?“
„Dann schauen wir uns in der Krankenhauskantine ein paar geile Schwestern an!“
Das war so ziemlich das Vernünftigste, was ich in den letzten Tagen von ihm gehört hatte. Und weil er gerade so vernünftig drauf war, packte ich ihn an seiner lädierten Nase, drückte kräftig zu und sagte: „Jetzt will ich’s endlich wissen: Wer war das?“
Er drehte fast durch vor Schmerzen und schrie: „Es war Ronnie!“
Ich hatte mir schon so was Ähnliches gedacht.
Ich ließ seine Nase wieder los, und jetzt konnte er endlich frei atmen und frisch von der Leber weg erzählen: „Ich war vor drei Tagen bei ihm in der Bar, an diesem Abend hat er endlich kapiert, was in unserem Vertrag drinnensteht, und da wurde er plötzlich so richtig böse, das kam für mich total überraschend, ich hab echt nicht damit gerechnet, dass er böse wird, weil ich ihn als Therapeut ganz anders eingeschätzt habe, für mich war er der Typ, der sich alles gefallen lässt, alles! Das war jedenfalls das Ergebnis meiner Analyse von ihm, aber …“
Ich griff ihm nochmal an die Nase und sagte: „Und das erzählst du mir jetzt?“
„Ich hab’s vergessen!“
„Ich stelle mir nämlich gerade vor, wie mich der Typ hätte niederschlagen können, als ich mit dir bei ihm war und du mir versichert hast, dass ich sogar ‚Du fetter Mongo!‘ zu ihm sagen kann und ihm die Zunge zeigen, ohne dass er mir etwas tut! Und weißt du was: Ich hatte damals große Lust, ihm die Zunge zu zeigen!“
Ku entschuldigte das alles damit, dass er einfach selbst schon total fertig war mit den Nerven, und dass er nicht mal mehr dazu kam, die Notizen seiner Studenten überhaupt zu lesen, geschweige denn zu analysieren.
Ich fragte: „Ist das nicht ein bisschen gefährlich?“
Er nickte und sagte: „Verdammtes Burn-out!“
Wir parkten ein und schlurften durch den Schnee zum Eingang der Klinik. Ku schob dabei noch immer seine schwarze Wand vor sich her, ich musste ihn entweder ziehen oder schieben, um überhaupt voranzukommen, diese schwarze Wand hätte ich gerne gesehen, um ein Loch in sie hineinzuschlagen. Aber verdammt, ich sah sie nicht!
Bei der drallen Blondine im etwas zu engen Overall, die hinter der Glaswand saß und klassischerweise auf einem Bleistift im Mund kaute, aber nicht so geil wie Sister Slut, brachte ich schließlich mein Anliegen vor, nämlich die gewisse Patientin im Koma sehen zu können, jedoch hörte ich von ihr: „Nein, das geht sicher nicht!“
Als wäre ich ein frecher Bengel, der sich zu Weihnachten das Falsche wünscht!
Ku schob mich zur Seite, beugte sich in seinem langen Mantel entspannt zu ihr vor und sagte mit leichtem Hang zum Gondoliere: „Sagen Sie mal, Sie haben doch abgenommen, seit ich das letzte Mal hier war. Ich bin mir sogar ganz sicher, dass Sie abgenommen haben!“
Sie nestelte unsicher an ihrem Ausschnitt herum, wurde ganz verlegen, und sagte schließlich: „Echt?“
„Aber ja!“
Das wären dann eine ganze Menge Treppen gewesen in den 23. Stock zur Intensivmedizin, und nicht nur, wenn man eine schwarze Wand mit hinaufschleppen sollte. Also entschieden wir uns für den Lift, und in
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