Düstere Sehnsucht - Feehan, C: Düstere Sehnsucht - Deadly Game
es sich jemals ausgemalt hatte. Sie bezweifelte, dass sie Ken Norton widerstehen konnte, wenn er sexuelle Annäherungsversuche bei ihr unternahm, aber sie würde es zumindest versuchen. Womit sie nicht gerechnet hatte, war, dass sie sich etwas aus dem Mann machen könnte. Sie fühlte sich nicht nur sexuell zu ihm hingezogen, sondern auch emotional, und das leuchtete ihr nicht ein und jagte ihr
fast noch mehr Angst ein als die körperliche Anziehungskraft.
»Mein Bein tut weh, und von diesem Gespräch wird mir übel. Ich sollte euch keine Informationen geben. Wir sind Feinde.«
Jack schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, dass wir das sind. Wenn du wirklich den Befehl erhalten hast, den Senator zu schützen, wie auch wir es tun sollten, dann sind wir auf derselben Seite. Du hast das Wappen der Schattengänger auf den Rücken tätowiert.« Er schob seinen Ärmel hoch. »Wir sind Mitglieder einer Elitetruppe der Sondereinheiten, und wir alle arbeiten für die Vereinigten Staaten. Wir sind auf derselben Seite, Mari. Ich weiß nicht, wie es zu diesen Überschneidungen kommt, aber ich habe den Verdacht, Whitney hat etwas damit zu tun.«
»Du glaubst, Whitney handelt auf eigene Faust.«
»Wir dachten alle, er sei tot – ermordet worden«, erwiderte Jack. »Er ist vor zirka achtzehn Monaten verschwunden, und seine Tochter hat seinen Tod >gesehen<. Sie hat seine Ermordung >gesehen<.«
»Ich kann euch versichern, dass er am Leben ist und sich bester Gesundheit erfreut.«
»Niemand von uns hat ihn gesehen oder von ihm gehört. Erst kürzlich haben wir den Verdacht geschöpft, er könnte seinen eigenen Tod inszeniert haben.«
Mari zog die Stirn in Falten und veränderte ihre Lage ein wenig, um den Druck auf ihre Hüfte abzuschwächen. Nichts konnte ihr den Schmerz in ihrem Bein nehmen, und daher ignorierte sie ihn, wie sie es gelernt hatte. Es störte sie, dass die ganze Zeit nur Jack redete, als sei Ken in Gedanken noch bei anderen Dingen – Dingen, von denen sie nicht wollte, dass er daran dachte. »Es besteht
die Möglichkeit, dass er seinen eigenen Tod inszeniert hat, um nicht getötet zu werden. Wenn die Regierung oder seine Freunde beschlossen hätten, er fiele ihnen zur Last oder er sei übergeschnappt, dann könnten sie beschlossen haben, sich ihn vom Hals zu schaffen oder ihn wenigstens in einer Anstalt einzusperren.« Sie riskierte einen schnellen Blick auf Ken, doch er sah ihr Bein an.
»Was für Freunde?«, fragte Jack.
»Es gibt ein paar Leute, die ihn ab und zu besuchen. Die Bewachung des Geländes wird verschärft, wenn sie kommen, und sie sind von Leibwächtern umgeben. Die meiste Zeit werden wir ans hintere Ende des Geländes ausquartiert und bekommen so gut wie nichts von ihnen zu sehen. Sean arbeitet jetzt mit Whitney, und er hat uns ein paarmal von den Auseinandersetzungen zwischen ihnen erzählt.«
Ken trat einen Schritt von ihr zurück, verschränkte die Arme vor der Brust und musterte sie mit kaltem Blick. »Auf den Gedanken, dass es doch ein wenig ungewöhnlich sein könnte, eine Frau zu töten, weil eine andere nicht zurückgekehrt ist, bist du nicht gekommen?«
Mari fiel auf, dass sein Körper immer noch zum Teil zwischen ihr und seinem Bruder war. Etwas an seiner täuschend lässigen Körperhaltung und seinem Tonfall sandte ihr einen Schauer über den Rücken. »Was ist normal? Ich bin mit anderen Mädchen in der Kaserne großgezogen worden. Wir waren Soldaten, wir wurden als Soldaten ausgebildet, und wir wurden schon zu Einsätzen oder Übungen geschickt, als wir gerade erst zwölf Jahre alt waren. Darüber, was normal war, hat Whitney bestimmt.«
»Und was ist jetzt?«, half ihr Jack auf die Sprünge und warf seinem Zwillingsbruder einen warnenden Blick zu.
Mari zuckte die Achseln. »Whitney wird immer schlimmer. Als ich ein Kind war, schien er nur gemein und unnahbar zu sein. Aber im Lauf der Jahre ist es wirklich schlimmer mit ihm geworden, vor allem in den letzten ein oder zwei Jahren. Eine Zeit lang schien es, als hätte er auch eine menschliche Seite. Ich dachte, vielleicht hätte ihm Lily, seine Tochter, Halt gegeben, aber ... «
»Du weißt von Lily?«, fiel ihr Jack ins Wort.
Mari nickte und bemühte sich, nicht zusammenzuzucken, als Ken ihr Bein säuberte. Mehr Blut war herausgesickert. »Er hat oft von ihr gesprochen, und es schien, als könnte er sie wirklich lieben, obwohl ich mir, um ehrlich zu sein, nicht vorstellen konnte, dass er zu echter Liebe fähig ist. Er hat
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