Düsteres Verlangen: Die wahre Geschichte des Victor Frankenstein (German Edition)
zusammenballte.
»Was ist los?«, fragte ich ihn leise.
»Mutter weiß es nicht und ihr dürft es ihr nicht erzählen. Vater glaubt, sie würde es nicht ertragen.«
»Was?«, fragte Elizabeth aufgeschreckt. »Was würde sie nicht ertragen?«
»Es ist nicht unbedingt geheilt«, sagte Konrad.
»Aber schau dich doch mal an«, warf Henry ein. »Gesünder denn je!«
»Dr. Murnau hat gesagt, die Krankheit kommt vielleicht wieder.« Ich sah, wie der Blick meines Bruders zu Elizabeth wanderte. »Er hat es bei anderen Fällen so erlebt.«
Henry lachte freundlich. »Na, dann brauchst du doch sicher nur noch eine weitere Dosis von Dr. Murnaus wunderbarem Elixier.«
»Er möchte es für eine bestimmte Zeitspanne nicht wieder anwenden«, sagte Konrad. »Eine weitere Dosis zu schnell hintereinander könnte tödlich sein.«
»Du nimmst jetzt das Schlimmste an«, sagte Elizabeth entschieden, aber sie war blass geworden. »Er hat gesagt, deine Krankheit kommt vielleicht zurück. Vielleicht! «
Konrad lächelte, doch so wie ein Vater seine Kinder anlächelt, wenn er versucht, sie zu beruhigen.
»Lasst uns wenden«, sagte ich und legte das Steuer um. Der Ausleger schwang herum und Konrad richtete das Focksegel auf unseren neuen Kurs aus.
»Vater sollte es Mutter sagen«, meinte Elizabeth ärgerlich. »Das darf er nicht vor ihr verschweigen.«
»Sag du bloß nichts«, mahnte Konrad.
»Natürlich kann sie das ertragen. Sie ist sehr stark. Nur weil sie eine Frau ist, muss er sie nicht behandeln, als wäre sie ein Kind.«
»Das sehe ich auch so«, sagte ich.
Konrad seufzte. »Er tut ihr einen Gefallen. Er möchte ihr die Sorge ersparen – eine höchstwahrscheinlich unnötige Sorge.«
Meine Gefühle gegenüber Dr. Murnau waren nun nicht mehr so zuversichtlich. Ein Arzt machte Menschen gesund. Wenn eine Heilung nicht sicher war, war das dann überhaupt noch eine Heilung? Eine Weile sagte niemand etwas, während unser Boot über das Wasser glitt. Ich beobachtete Konrad und wusste genau, was er dachte.
»Also, ich meine«, sagte er schließlich, »dass es eine gute Idee wäre, weiter nach dem Elixier des Lebens zu suchen.«
Elizabeth und Henry blickten überrascht auf. Doch ich war nicht erstaunt. Ich kannte ihn wie mich selbst und ich hätte dieselbe Entscheidung getroffen.
»Nur für den Fall«, fügte Konrad hinzu.
»Unbedingt«, stimmte ich ihm zu.
Henry war eindeutig nicht wohl bei dem Gedanken. »Aber wir haben nur eine von den drei Zutaten und die zu bekommen war schon schwer genug.«
»Henry hat sich ganz schön viel Sorgen gemacht, als wir da oben im Baum waren«, bemerkte ich etwas sarkastisch.
»Ihr habt ja keine Ahnung, wie das war«, protestierte er. »Ihr zwei wart mit euren komischen Wolfsaugen da oben, und ich musste unten auf dem Boden meine fünf Sinne beieinanderhalten und versuchen, darauf zu achten, dass ihr nicht vom Blitz erschlagen oder von einer Wildkatze gefressen werdet …«
»Und du hast sie übrigens sehr gut aufgehalten«, witzelte ich.
»Für dich war es wirklich am schwierigsten«, gab Elizabeth ihm recht und biss sich auf die Lippe, um nicht loszuprusten.
»Ach, macht nur so weiter! Macht euch ordentlich lustig über mich«, sagte Henry. »Ihr solltet eigentlich dankbar dafür sein, dass zumindest einer von uns ein bisschen gesunden Menschenverstand hat.«
»Es wird schon nicht so schlimm werden«, sagte Konrad und zwinkerte ihm zu. »Jetzt, wo ich wieder gesund bin, kann ich helfen, die fehlenden Zutaten zusammenzusuchen.«
Am nächsten Tag sah ich die beiden zufällig im Musikzimmer.
Das Klavierspiel hatte mich angelockt. An dem Lied erkannte ich, dass Elizabeth spielte. Die Tür stand einen Spalt offen. Still und unbemerkt beobachtete ich sie. Konrad stand neben ihr und blätterte die Seiten um. Während sie spielte, strich er ihr eine Strähne ihres lockigen Haars aus der Stirn und steckte sie hinter ihr Ohr. Drei, vier, fünf Schläge meines pochenden Herzens ließ er seine Hand an ihrer Wange liegen. Und sein Gesicht zeigte dabei eine große Zärtlichkeit.
Elizabeth lächelte und die Röte stieg ihr ins Gesicht. Sie verhaspelte sich bei den Noten, hob die Hände von den Tasten und sagte mit leiser Stimme etwas zu Konrad, das ich nicht verstand.
Ich zog mich ein paar Schritte zurück, riss mich zusammen und kam dann pfeifend durch den Flur, bevor ich das Zimmer betrat. Dabei tat ich so, als würde ich ihre überraschten und verlegenen Gesichter nicht bemerken.
»Morgen
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