Düstermühle: Ein Münsterland-Krimi (German Edition)
Ankleiden brauchte.
»Schon möglich«, meinte Gratczek. »Aber wie es aussieht, haben wir den Täter ja bereits.«
»Warten wir die Obduktion ab. Noch wissen wir nicht, wann Alfons Schulte-Stein gestorben ist. Vielleicht war er ja schon eine Weile tot, als der Brand ausgebrochen ist.«
Gratczek blickte kurz zu der Ruine auf, und da passierte es: Er rutschte auf dem feuchten Gras aus und verlor das Gleichgewicht. Sein glänzender Lackschuh versank augenblicklich in einer schlammigen Senke. Blitzschnell zog er ihn heraus, doch da war es schon zu spät, brauner Matsch klebte an seinem Schuh. Entsetzt starrte er auf seinen Fuß.
Keller fing an zu lachen. Er konnte sich gar nicht wieder einkriegen.
»Tut mir leid, Guido. Ehrlich.«
Doch dann lachte er weiter und wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel. Gratczek säuberte grimmig den Schuh an einem Grasbüschel. Von seinem Kollegen hatte er fürs Erste die Schnauze voll.
Wortlos gingen sie weiter, und kurz darauf erreichten sie den Hof. Das Scheunentor stand offen, laute Motorengeräusche waren zu hören, und dann erschien ein Frontlader im Tor, der einen Strohballen vor sich herfuhr. Im Fahrerhäuschen saß Manfred Schulte-Stein. Sobald er die beiden Kommissare auf seinem Hof entdeckte, stellte er den Motor ab, sprang von seinem Sitz und kam auf sie zu.
»Guten Tag. Sie …« Er blickte verunsichert von einem zum anderen. »Gibt es Neuigkeiten?«
»Leider ja«, sagte Gratczek. »Der Tote aus der Werkstatt ist mittlerweile identifiziert. Es ist Ihr Vater. Tut mir leid.«
Der junge Mann sah zu Boden. »Gut. Dann ist das jetzt gewiss. Wir sind ja auch davon ausgegangen.«
»Wir bedauern sehr, Sie das noch mal fragen zu müssen. Aber versuchen Sie sich zu erinnern: Ist Ihnen irgendetwas Ungewöhnliches aufgefallen auf dem Hof? Haben Sie etwas gesehen oder gehört? Vorgestern Nacht oder gestern Morgen?«
»Nein. Gar nichts. Wir sind wie immer um kurz vor sieben aufgestanden. Meine Frau hat die Kinder geweckt und das Frühstück vorbereitet. Als ich ins Bad ging, habe ich den Brandgeruch bemerkt. Als ich gesehen habe, was los war, habe ich die Feuerwehr gerufen.«
»Wir waren bei Ihrer Mutter«, mischte sich Keller ins Gespräch. »Keine schöne Geschichte, das mit der Trennung von ihr und Ihrem Vater.«
Misstrauen legte sich über das Gesicht von Manfred Schulte-Stein. »Was wollen Sie damit sagen? Es war doch Siegfried Wüllenhues, der meinen Vater umgebracht hat.«
»So sieht es im Moment zumindest aus«, sagte Gratczek.
»Wie haben Sie es damals erlebt, als Ihre Mutter den Hof verließ?«, fragte Keller.
»Meine Mutter hat nichts damit zu tun! Was glauben Sie denn!«
»Ich habe Ihnen nur eine Frage gestellt.«
»Natürlich war das furchtbar, als sie gehen musste. Mein Vater … Er konnte sehr hart sein. Ich habe versucht, mich für sie einzusetzen, doch er wollte nichts davon hören.«
»Und dann haben Sie den Hof ebenfalls verlassen?«
»Ja. Ich war damals sehr aufgebracht. Aber mein Vater hat dafür bezahlt, glauben Sie mir. Es hat ihm stark zugesetzt, seinen einzigen Sohn davongehen zu sehen. Er hat hier ja alles für die nächste Generation aufgebaut.«
»Hat er versucht, Sie zum Bleiben zu bewegen?«
»Ja. Aber ich wollte nichts davon hören. Nicht nach dem, was mit Mutter passiert ist.«
»Was hat Ihre Meinung geändert?«
»Das war meine Mutter. Sie hat mich davon überzeugt, dass der Hof mein rechtmäßiges Eigentum ist. Dafür sollte ich mich mit ihm versöhnen.«
»Für den Besitz? Und das war so einfach?«
»Ich weiß, was Sie denken. Aber so war es nicht. Es geht auch um Traditionen. Der Hof ist seit Jahrhunderten in Familienbesitz. Das soll auch so bleiben, unabhängig von irgendwelchen Streitereien. Mein Vater ist nicht so schwierig gewesen, wie man denken könnte. Er hatte nur klare Regeln. Man wusste bei ihm immer, woran man war. So lange man diese Regeln beachtete, konnte man mit ihm gut auskommen.«
»Und jetzt ist er tot«, stellte Keller fest. »Bedauerlich.«
Manfred Schulte-Stein wurde wütend. »Wir haben uns arrangiert, mein Vater und ich. Er mochte meine Frau und war ganz vernarrt in die Kinder. Auch wenn Sie das nicht glauben können: Wir trauern um ein Familienmitglied. Wenn also weiter nichts ist, gehe ich wieder an die Arbeit.«
Auf dem Rückweg schwiegen sie. Gratczek gelang es, auf der sicheren Grasnarbe zu bleiben. Als er am Dienstwagen seinen Schuh genauer inspizierte, entdeckte er allerdings in den
Weitere Kostenlose Bücher