Düstermühle: Ein Münsterland-Krimi (German Edition)
Uni, wo sie in letzter Zeit oft bis spät in den Abend hinein arbeitete. Als er heute nach Hause gekommen war und die Wohnung wieder einmal leer vorgefunden hatte, war er kurzerhand zu Jamaine gegangen. Hauptsache, nicht alleine zu Hause sitzen und die Wände anstarren. Er konnte ja immer noch hochgehen, wenn sie wieder zu Hause war.
»Bin bei Jamaine«, tippte er ins Display. »Freu mich auf dich.« Dann schickte er die Kurznachricht ab. Hoffentlich ließ Elli ihn nicht mehr lange warten. Er wollte mit ihr zwar nicht über Birgit reden oder über seine Eltern. Ganz im Gegenteil. Er brauchte ihre Anwesenheit, damit er alles andere vergessen konnte.
Jamaine stellte das Bier vor ihn auf den Tresen.
»Na, Hambrock? Wartest du darauf, dass deine Frau dich abholt?«
Da war es wieder – als könnte Jamaine Gedanken lesen. Direkt unheimlich war das. Natürlich war das totaler Unsinn, kein Mensch konnte Gedanken lesen. Trotzdem passierte es verdächtig oft: Hambrock dachte an etwas, Jamaine trat zu ihm und sprach es laut aus – um ihn danach anzugrinsen und seine auffällige Zahnlücke zu zeigen. Hambrock wusste nicht, was er davon halten sollte. Denn irgendwie hatte er den Eindruck, als würde sich Jamaine im Stillen über ihn amüsieren.
Nun beugte er sich vertrauensvoll vor.
»Ein Freund von mir hat ein bisschen Ärger mit deinen Kollegen. Du weißt schon, von der Drogenfahndung.«
»Und weiter?«
»Na ja. Er kann sich gar nicht erklären, weshalb. Er ist schon seit einiger Zeit nicht mehr im Geschäft, musst du wissen.«
»Natürlich nicht.«
»So. Und jetzt fragt sich mein Freund … also, er …«
»Er will wissen, ob die was gegen ihn in der Hand haben.«
»Genau. Er will natürlich keine vertraulichen Details und so. Nur rausfinden, ob er sich Sorgen machen muss. Mehr nicht.«
»Vergiss es.«
»Ach, komm schon, Hambrock. Eine kleine Gefälligkeit. Dafür halte ich dir immer deinen Stammplatz frei. Jetzt sei doch nicht so.«
Hambrocks Blick reichte wohl als Antwort, denn Jamaine hob seufzend die Hände. »Ich hab ihm ja gleich gesagt, das wird nichts. Aber er wollte unbedingt, dass ich es versuche.«
»Jamaine!«, rief die Kellnerin und warf dem Wirt böse Blicke zu. Sie deutete auf eine lange Reihe Bons auf dem Tresen. Lauter Getränke, die er für sie fertigstellen sollte.
»Ich komm schon!« Zu Hambrock sagte er: »Du siehst übrigens schlecht aus. Alles in Ordnung bei dir?«
»Ach, Familienangelegenheiten. Du weißt schon.«
Da lag etwas in seinem Blick, Hambrock konnte es nicht beschreiben, doch plötzlich er hörte sich sagen: »Meine Schwester ist krank.«
»Das tut mir leid. Ist es ernst?«
Hambrock hob die Schultern. »Keine Ahnung.«
Hinterm Tresen wieder die Stimme der Kellnerin: »Jamaine! Jetzt komm schon! Soll ich das etwa alles alleine machen?«
Plötzlich hatte Hambrock einen Einfall. Es war natürlich Unsinn, aber vielleicht wusste Jamaine tatsächlich über manche Dinge mehr als andere. Und es war ja auch keiner da, der mit dem Finger auf Hambrock zeigen und ihn auslachen konnte.
»Jamaine?«
»Ja?«
»Wird sie überleben, meine Schwester?«
Jamaine zögerte, nur eine Sekunde, und seine dunklen Augen waren unergründlich. Hambrock blieb das Herz stehen. Birgit würde sterben. Das wurde ihm plötzlich klar. Doch dann zwang sich Jamaine zu einem Lachen und sagte: »Woher soll ich das wissen? Sie wird schon durchkommen. Ihr Hambrocks seid so leicht nicht kleinzukriegen.«
Er zwinkerte ihm zu und ging zum Zapfhahn. Doch er vermied dabei, Hambrock anzusehen.
Eine Hand legte sich auf seine Schulter. Es war Elli.
»Bernhard, tut mir leid. Ich hätte mich früher loseisen sollen.«
»Ach, Unsinn. Schön, dich zu sehen.«
»Wie geht es Birgit?«
»Unverändert, glaub ich.«
Er trank sein Bier aus, um ihr nicht in die Augen sehen zu müssen. Elli verstand. Er wollte nicht darüber reden.
»Wir könnten uns was vom Asiaten holen und einen Film ausleihen«, sagte sie. »Was hältst du davon?«
»Hört sich gut an.«
Sie lächelte. »Dann komm. Lass uns gehen.«
6
An diesem Sonntag hatte Carl das Hochamt versäumt. Christa, die ihn normalerweise sonntags zur Kirche fuhr, musste die Kinder mit dem Wagen zu Schulfreunden bringen, und da er Rosa nicht schon wieder fragen wollte, ob sie ihn abholte, ließ er den Gottesdienst einfach ausfallen. Er war ja froh, dass Christa ihn wenigstens zum Stammtisch bringen konnte, der im Anschluss an die Kirche in Moorkamps
Weitere Kostenlose Bücher