Düstermühle: Ein Münsterland-Krimi (German Edition)
Gastwirtschaft stattfand. So blieb wenigstens ein Teil der sonntäglichen Tradition erhalten.
Christa hielt vor der Kneipe, die am Rand der Ortschaft in einem alten Fachwerkhaus beheimatet war, und wartete ungeduldig, bis er ausgestiegen war und seinen Stock genommen hatte.
»Ich mach jetzt das Essen«, sagte sie. »Willst du anrufen, wenn du abgeholt werden willst, oder soll ich einfach herkommen, wenn das Essen fertig ist?«
»Was wäre besser für dich?«
»Ich hole dich, wenn ich mit dem Kochen fertig bin.«
»Gut. Dann mach das.«
Sie wirkte erleichtert. »Na, dann werd ich mal. Ich hab noch viel zu tun, bevor die Kinder wiederkommen.«
Und im nächsten Moment brauste sie schon davon. Carl blickte dem Wagen hinterher. Für Christa war es auch nicht leicht, ihn bei sich wohnen zu haben. Sie mussten alle versuchen, das Beste aus der Situation zu machen.
Er stieg die Stufen zum Eingang der Kneipe hoch. Drei Stufen. Das durfte doch nicht sein, dass ihm das so viel Mühe abverlangte. Es dauerte ewig, bis er durch die schwere Eichentür ins Innere treten konnte. Aus dem hinteren Raum drang Gemurmel. Die Stimmung schien gedrückt zu sein, nicht wie sonst, wenn einem schon von Weitem Gelächter und Gegröle entgegenschlugen. Aber das war wohl auch kein Wunder.
Als er den Raum betrat, unterbrachen die Männer ihre Gespräche. Die Gesichter waren ernst und düster, sie begrüßten ihn mit Nicken und mit gemurmeltem Hallo. Bierdunst und Zigarrenqualm erfüllten den Raum. Carl ging zu seinem Stammplatz am Ende des Tisches, der wie jeden Sonntag für ihn frei gehalten wurde. Er setzte sich und blickte in die Runde.
Altvertraute Gesichter, die meisten kannte er schon seit seiner Jugend. Es waren die alten Bauern von der Düster, wo auch sein Kotten gestanden hatte: Antonius Holtkamp, Walther Vornholte, Heinz Moorkamp und all die anderen, die nun allesamt im Ruhestand waren. Nur Siegfrieds Platz am Tisch war leer. Er würde es für immer bleiben.
»Es ist gut, hier zu sein«, sagte Carl. »Auch wenn wir nicht mehr vollzählig sind.«
Heinz Moorkamp stellte Carl ein Bier auf den Tisch und reichte ihm eine Zigarre. Die kleinen Laster, die Carl sich einmal wöchentlich beim Stammtisch gönnte.
»Lass es dir schmecken, Carl.«
Dann hoben alle ihr Glas.
»Auf unsere Gemeinschaft«, sagte Heinz Moorkamp. »Auch wenn heute einer fehlt.« Er prostete dem leeren Platz zu. »Und auf dich, Siegfried. Mögest du in Frieden ruhen.«
Es wurde angestoßen, die Männer tranken, dann setzten sie die Gläser wieder ab und schwiegen. Jeder schien seinen eigenen Gedanken nachzuhängen.
»Wann ist die Beerdigung?«, fragte Carl.
»Ende der Woche, heißt es«, meinte Heinz. »Ganz sicher weiß man es nicht. Sein Leichnam muss noch obduziert werden. Das hat die Polizei angeordnet.«
Obduziert. Das Wort lag schwer im Raum.
»Schrecklich, das Ganze«, sagte einer.
»Hättet ihr das für möglich gehalten?«, fragte ein anderer. »Dass Siegfried sich zu so einer Tat entschließt?«
»Vielleicht war er das ja gar nicht«, sagte Walther Vornholte. »Das wissen wir doch nicht.«
Carl bemerkte, wie Heinz Moorkamp und Antonius Holtkamp Blicke wechselten.
»Walther, rede keinen Unfug«, sagte Antonius. »Wer soll es denn sonst gewesen sein?«
Walther murmelte: »Ich glaub halt nicht, dass Siegfried so etwas tun würde.« Dann leerte er sein Bierglas.
»Was meinst du, Carl?«, fragte Heinz Moorkamp.
Alle sahen ihn an.
»Ich denke, jeder ist fähig, einen Menschen zu töten. Ich wünschte mir, Siegfried hätte einen anderen Weg gewählt. Aber offenbar konnte er die alten Geschichten nicht ruhen lassen. Er muss einen tiefen Groll gegen die Schulte-Steins gehegt haben.«
»Ja, das denke ich auch«, sagte Antonius. »Er wollte eine alte Rechnung begleichen.«
Und wieder wechselte er einen Blick mit Heinz Moorkamp. Carl betrachtete die beiden. Etwas war hier im Busch, er konnte es förmlich riechen. Die beiden teilten sich mit Blicken etwas mit, was sie nicht laut aussprechen wollten. Was sollte denn dieses Theater?
»Wie geht es Renate?«, fragte einer.
Die Witwe. Carl wollte sich lieber nicht vorstellen, was sie gerade durchmachte. Sie hatten eine gute Ehe geführt, Siegfried und Renate. Ein Jammer, dass dieses Gut für ihn nicht stärker gewogen hatte.
»Inge war heute bei ihr«, sagte Heinz. »Es geht ihr schlecht, aber das kann man sich wohl denken.«
»Muss ein ziemlicher Schock für sie gewesen sein, die Sache.«
»Ja,
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