Düstermühle: Ein Münsterland-Krimi (German Edition)
Büro vorbei, das für Vernehmungen reserviert war. Hinter der Tür waren Stimmen zu hören. Er zögerte. Da tauchte Christian Möller im Treppenhaus auf und ging mit einem knappen Gruß an Hambrock vorbei.
»Christian, warte doch mal. Weißt du, wer da drin ist?«
»Manfred Schulte-Stein, glaub ich. Keller hat eben so was gesagt.«
»Schulte-Stein?«, gab Hambrock von sich. »Den hat Keller hierherholen lassen?«
Christian Möller hob die Schultern, murmelte: »Sieht so aus«, drehte sich um und ging weiter.
Hambrock blickte zur verschlossenen Tür. War Keller wohl einfach zu faul gewesen, um nach Düstermühle rauszufahren, oder gehörte die förmliche Atmosphäre im Präsidium womöglich zu seiner Methode? Denn natürlich war es ein Unterschied, ob man am Ort einer Zeugenbefragung das Hausrecht hatte oder nicht.
Er wollte schon weitergehen, da öffnete sich die Tür, und die Schreibkraft der Abteilung erschien, eine schüchterne Mittdreißigerin.
»Für mich bitte mit Milch und zwei Löffel Zucker«, hörte er Keller von drinnen rufen. Sie nickte artig, dann entdeckte sie Hambrock auf dem Flur.
»Guten Tag, Herr Hambrock.«
»Holen Sie Kaffee?«
»Ja, Herr Keller hat mich geschickt.«
»Sind Sie so lieb und bringen mir einen mit?«
Vielleicht wäre es nicht schlecht, der Befragung einen Moment lang beizuwohnen. Besser jedenfalls, als sich heimlich aus dem Präsidium zu schleichen, nur um unter Leuten zu sein.
»Für Sie, Herr Hambrock, auch mit Milch und Zucker, richtig?«, meinte die Schreibkraft.
Unbestreitbar war das eine Vorliebe, die er mit dem neuen Kollegen teilte. Er nickte knapp, drehte sich um und trat in den Vernehmungsraum.
Keller hatte nichts gegen Hambrocks Anwesenheit einzuwenden, und so warteten sie, bis die Schreibkraft mit dem Tablett zurückgekehrt war, den Kaffee verteilt und sich schließlich vor der Computertastatur in Stellung gebracht hatte.
Manfred Schulte-Stein sah sehr blass aus und wirkte ebenfalls übernächtigt. Nervös ließ er seine Kaffeetasse zwischen den Händen kreisen. Er blickte zurückhaltend von einem Kommissar zum anderen. Doch zu Hambrocks Überraschung ergriff er dann selbst als Erster das Wort.
»Sie sagten, ich soll Ihnen Bescheid sagen, wenn mir noch etwas einfällt.«
Zögern. Keller legte die Stirn in Falten. »Ist Ihnen denn noch etwas eingefallen?«
»Ja. Aber ich weiß nicht, ob es was zu bedeuten hat.« Schulte-Stein war jetzt aufgeregt, seine Stimme überschlug sich beinahe. Wie ein Hündchen, dachte Hambrock, das seinem Herrchen gefallen wollte. »Da war ein Auto mit Kölner Kennzeichen. Zweimal habe ich es bei uns auf dem Hof gesehen. Ein dunkler Passat, mehr weiß ich leider nicht. Den Fahrer habe ich nur von Weitem gesehen, aber er hat mit Vater gesprochen. Nur kurz, beide Male, und dann ist er wieder gefahren. Vater wirkte danach verärgert. Doch als ich gefragt habe, wer das war, hat er mich weggeschickt. Er wollte nicht darüber reden.«
Keller verschränkte die Arme. »Ein Wagen mit Kölner Kennzeichen?«
»Richtig.«
»Und mehr wissen Sie nicht?«
»Der Typ hat nicht mit mir gesprochen. Nur mit Vater.«
»Der Fahrer des Kölner Wagens?«
»Stimmt.«
»Wie lautete das Nummernschild?«
»Das weiß ich nicht mehr. Ich hab nicht darauf geachtet. Er hat ja nur mit meinem Vater gesprochen.«
Keller wechselte einen bedeutungsvollen Blick mit Hambrock. Dann stieß er einen langen Seufzer aus. Das hörte sich gar nicht mal unfreundlich an. Eher nachsichtig.
»Sie sollten sich etwas Besseres ausdenken, wenn Sie uns überzeugen wollen, Herr Schulte-Stein.«
»Aber …«
»Sehen Sie, Herr Schulte-Stein, es ist doch so: Sie haben kein Alibi, sie waren nur hundert Meter von der Werkstatt Ihres Vaters entfernt, und Sie haben ein Motiv.«
Schulte-Steins Adamsapfel bewegte sich auf und ab. »Aber wir sind doch die Opfer in dieser Sache. Ist Ihnen das denn nicht klar?«
Keller fragte mit sanfter Stimme: »Wäre das denn so abwegig, Herr Schulte-Stein? Dass Sie nachts aus dem Bett geklettert sind, als Ihre Frau und die Kinder schon schliefen? Ihr Vater, der sein Lebtag eine Nachteule war, saß wieder bis spät in der Nacht in seiner Korbwerkstatt. Ganz typisch für ihn. Alle anderen schlafen schon. Keiner sieht also, wie Sie über den Hof gehen. Sie wissen ja, wo Sie Ihren Vater finden. Sie gehen in die Werkstatt, nehmen sich einen Gegenstand – vielleicht einen der Holzstümpfe, die im Vorraum lagen, oder den Spazierstock Ihres
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