Düstermühle: Ein Münsterland-Krimi (German Edition)
entwickeln. Aber die Müdigkeit und beginnende Kopfschmerzen machten das unmöglich.
»Ich weiß nicht, Hambrock«, sagte Gratczek. »Sie hatten sich doch längst versöhnt. Alles war wieder in Ordnung. Der Patriarch hat sich mit dem Rest seiner Familie gut verstanden. Und der Streit zwischen ihm und seiner Exfrau lag ja sehr lange zurück. Genug Zeit, damit sich alle abkühlen konnten.«
»Wenn sich Helgas Krankheit in der Zwischenzeit nicht verschlimmert hätte«, wandte Keller ein. »Das ändert nämlich die Situation. Manfred kann sich nicht um seine Mutter kümmern, solange sie nicht bei ihm auf dem Hof ist. Er muss mit ansehen, wie sie immer hilfloser wird und alles an ihrem Vater hängen bleibt, der langsam alt wird. Manfred würde sich gerne kümmern, doch es geht nicht. Und das nur wegen seines herzlosen Vaters, der sie verstoßen hat. Außerdem ist das ja auch nur eine Möglichkeit. Genauso gut könnte es nämlich Helgas Vaters gewesen sein, der den Mord begangen hat. Antonius Holtkamp. Der hatte ebenfalls Motiv und Gelegenheit. Seine Tochter wurde gedemütigt und um ihre Kinder und ihren Besitz gebracht. Lange wird er sich nicht mehr um sie kümmern können, das ist sicher. Und was wird dann? Also kommt der alte Hass wieder auf.«
»Und dann gibt Antonius dem Drängen seiner Tochter nach und ermordet seinen ehemaligen Schwiegersohn?«, kam es von Gratczek.
»Möglich«, meinte Keller. »Aber ebenso ist es möglich, dass Helga und Manfred gar nichts davon gewusst haben. Vielleicht hat der alte Antonius den Mord heimlich geplant und ohne seine Familie ausgeführt. Um seine Tochter zu rächen und ihr die Möglichkeit zu geben, zu ihrem Sohn zurückzukehren.«
»Nicht allzu abwegig«, sagte Hambrock, dem es zunehmend schwerfiel, sich zu konzentrieren.
»Und was ist mit Siegfried Wüllenhues?«, fragte Gratczek. »Wie passt der da rein?«
»Keine Ahnung«, meinte Keller. »Die beiden waren doch alte Kumpel. Vielleicht wollte er ihm helfen.«
»So gut waren die beiden aber gar nicht befreundet. Sie gehen zum selben Stammtisch, natürlich. Aber das war es auch schon.«
»Wenn alle Fragen geklärt wären, bräuchten wir nicht mehr hier herumzusitzen«, sagte Keller.
Gratczek beugte sich zu Hambrock vor, als führten sie ein Zweiergespräch und Keller wäre gar nicht im Raum.
»Wüllenhues hatte ein Motiv, Hambrock. Und er war in die Tat verstrickt. Er konnte die Tötung nur nicht selbst ausführen, dafür war sein Rheuma zu schlimm. Also muss ihm einer geholfen haben. Wir sollten uns sein Umfeld näher ansehen, dort werden wir auch den Täter finden. Bodo Wüllenhues zum Beispiel, der Sohn. Er könnte die Rechnung seines Vaters beglichen haben. Um die Ehre der Familie wiederherzustellen.«
»Die Ehre der Familie? In welchem Jahrhundert lebst du denn?«
Hambrock wünschte sich weg von dieser Besprechung. Es fiel ihm schwer, sich auf den Fall zu konzentrieren. Seine Kollegen gingen ihm auf die Nerven. Außerdem hatte er ganz andere Dinge im Kopf, die ihn nicht losließen.
»Geh dem nach«, sagte er zu Gratczek. »Und du, Henrik, kümmerst dich um die Familie. Wir sollten beide Spuren im Auge behalten. Aber setzt euch vorher mit den Kollegen von der Kreispolizeibehörde in Warendorf in Verbindung. Ich will wissen, ob es dort Neuigkeiten zu dem Einbruch in Düstermühle gibt. Ihr wisst schon, bei dieser Rosa Deutschmann. Vielleicht bringt uns das ja weiter.«
Er stand auf. »Wir sehen uns heute Nachmittag.«
Erstaunte Blicke. Offenbar war die Besprechung vorbei.
»Ich hab einen Termin für eine Telefonkonferenz«, log Hambrock. »Der Rest muss warten.«
Gratczek und Keller wechselten einen Blick, wahrscheinlich der erste an diesem Morgen, in dem nichts Abschätziges lag. Dann nickten sie und erhoben sich ebenfalls.
»Also gut«, sagte Hambrock, »dann bis später.«
Und damit floh er aus dem Büro.
Ein paar Stunden danach saß Hambrock wieder in seinem Büro, der Monitor leuchtete, sein Schreibtisch war voller Akten, doch er konnte sich einfach nicht konzentrieren. Hambrock hatte ganz plötzlich das Gefühl, in dieser Umgebung zu ersticken. Er wollte mit dem ganzen Zeug nichts mehr zu tun haben. Sollten doch die anderen seine Arbeit machen. Er brauchte jetzt Menschen um sich herum.
Er stand auf, nahm seine Jacke und verließ das Büro. Einen Block entfernt war ein Stehcafé, dort wollte er sich einen Espresso genehmigen. Die frische Luft würde ihm guttun.
Am Ende des Flurs ging er an dem
Weitere Kostenlose Bücher