Düstermühle: Ein Münsterland-Krimi (German Edition)
Tageszeitung. Er schien nicht gerade erfreut, Keller zu sehen.
»Was wollen Sie denn hier?«
»Mit Ihnen reden. Es dauert nicht lange.«
Er blickte seine Tochter vorwurfsvoll an. Dann sah er wieder zu Keller und musterte ihn mit düsterer Miene.
»Also gut. Fassen Sie sich kurz.«
Keller deutete auf einen freien Stuhl. »Darf ich mich setzen?«, fragte er und nahm Platz, ohne eine Antwort abzuwarten.
Antonius Holtkamp verschränkte die Arme. Keller wandte sich mit einem Lächeln an Helga Schulte-Stein, die mit ihrem Rollstuhl in der offenen Küchentür stand und das Geschehen aufmerksam verfolgte.
»Würden Sie uns bitte einen Augenblick …«
»Meine Tochter bleibt hier«, bestimmte der alte Mann. »Sagen Sie einfach, was Sie zu sagen haben, und dann verschwinden Sie.«
Keller zuckte mit den Schultern. »Wie Sie wünschen.« Er beugte sich zu dem Mann vor. »Sie haben bestimmt gehört, dass der Todeszeitpunkt Ihres Schwiegersohns nun feststeht. Laut Rechtsmedizin wurde er ziemlich genau um halb zwölf in der Nacht zum vergangenen Samstag getötet.«
»Meinetwegen. Und weiter?«
»Und weiter frage ich mich, wo Sie wohl zu diesem Zeitpunkt gewesen sind. Ich schätze mal, Sie waren zu Hause? Und bezeugen kann das nur Ihre Tochter?«
Der rasche Blick, den er mit Helga wechselte, entging Keller nicht. Unsicherheit spiegelte sich in ihren Augen. Und Sorge. Er war also nicht zu Hause gewesen, das stand fest. Jetzt wurde es interessant.
»Nein. Ich war nicht hier«, sagte Holtkamp schließlich.
»Wo waren Sie denn?«, fragte Keller und schob hinterher: »Drüben, bei Schulte-Stein?«
Antonius’ Stimme donnerte durch die Küche: »Das verbitte ich mir!«
»Ich frage nur«, sagte Keller gelassen.
Das Gesicht des Mannes verfinsterte sich. »Ich war unterwegs. Mit dem Wagen.«
»Er macht Spazierfahrten«, mischte sich Helga ein. »Er fährt dann immer …«
Keller brachte sie mit einem Blick zum Schweigen. Antonius Holtkamp sollte schon selbst sagen, was für ein Alibi er sich hier spontan ausgedacht hatte.
»Ich bin an dem Abend über die Dörfer gefahren. Das mache ich häufig, spätabends, wenn alles ruhig ist und die Straßen frei sind. Hoch bis zum Teutoburger Wald und dann über die Bundesstraße zurück.«
»Sie waren also mit dem Auto unterwegs.« Keller verlieh seiner Stimme einen skeptischen Unterton.
»Ob es Ihnen nun passt oder nicht. Ich mache das, um mich zu entspannen. Ich fahre gern mit dem Wagen herum.«
»Und waren Sie dabei allein?«
»Ich bin bei meinen Fahrten immer allein.«
Ein alter Bauer, der nachts mit dem Auto spazieren fährt? Das schien Keller alles andere als glaubwürdig.
»Kann das denn jemand bezeugen? Hat Sie einer gesehen?«
»Wie gesagt, ich war allein. Und in den Dörfern ist um diese Uhrzeit kein Mensch mehr unterwegs. Ich kann Ihnen leider keinen präsentieren, der das bezeugen kann. Das ändert aber nichts daran, dass ich mit dem Wagen unterwegs war.«
»Und Sie machen so etwas häufiger, sagen Sie?«
»Das ist doch mein gutes Recht, oder?«
»Ein ungewöhnlicher Zeitvertreib für einen Bauern. Aber Sie können das bezeugen, Frau Schulte-Stein?«
Sie nickte angestrengt. »Ja.«
»Weiß sonst noch einer von Ihrem … Hobby?«
»Ich weiß nicht, ob ich das beim Stammtisch schon mal erwähnt habe. Gut möglich. Unterwegs habe ich aber noch nie einen getroffen. Wie gesagt, ich mache das, um mich zu entspannen.«
»Wann Sind Sie denn am vergangenen Freitagabend losgefahren?«
»Nach den Tagesthemen. So gegen elf Uhr, denke ich.«
»Und zurückgekommen sind Sie wann?«
»Eine gute Stunde später. So gegen zwölf oder halb eins.«
Keller konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. »Da haben Sie ja gutes Timing bewiesen. Genau der Zeitraum, in dem Alfons Schulte-Stein ums Leben kam. Und Sie waren weit weg mit dem Auto auf Spazierfahrt.«
»Was soll das heißen? Glauben Sie mir etwa nicht?«
»Was ich persönlich glaube, dürfte wohl keine große Rolle spielen. Tatsache ist jedoch: Sie haben ein starkes Motiv für den Mord an Alfons Schulte-Stein, und zur Tatzeit fuhren sie zufällig mit dem Auto spazieren. Ohne dafür einen Zeugen zu haben. Was denken Sie, wie das für andere aussieht?«
»So war es nun mal«, stellte Holtkamp fest. »Haben Sie sonst noch irgendwelche Fragen? Ich möchte nämlich jetzt meinen Mittagsschlaf halten.«
Keller war klar, dass er hier nichts mehr erfahren würde. Zumindest vorerst nicht. Er würde später
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