Duft der Unschuld - Tennington (German Edition)
durchhalten und das möglichst ohne sichtbare Beule in meiner Hose.
Unauffällig zog ich meine Jacke, die ich für die Fahrt ausgezogen und im Fußraum zwischen meinen Beinen abgelegt hatte, auf meinen Schoß.
„Ist dir kalt?“, fragte er auch prompt und ich schüttelte den Kopf. Im Gegenteil, mir war irrsinnig heiß und das lag nicht an der Temperatur im Auto.
„Nein, alles okay, ich …“ ich seufzte und brachte den Satz nicht zu Ende. Was sollte ich auch sagen? Sorry, aber wenn ich dich ansehe und dir so nah bin krieg ich ’nen Ständer, obwohl das eigentlich nicht möglich ist? Kaum!
„Du bist ziemlich durcheinander, ich hoffe, das beruhigt sich wieder, wenn du bei deinem Kumpel bist.“
Ja, das hoffte ich auch, trotzdem korrigierte ich ihn reflexartig: „Nicht Kumpel, er ist mein Freund.“
Ich sah das ‚Oh‘ in seinem ganzen Gesicht aufblitzen und grinste. „Tja, schwul eben.“
„Ja, so schlau war ich nun auch …“ Er sah wieder nach vorn und ein tiefgründiges, mich irgendwie alarmierendes Grinsen verzog seine Mundwinkel und ich tat es ihm gleich.
„Schockiert dich das?“, wollte ich wissen.
Seine erste Reaktion war ein Lachen, dann sagte er: „Sollte es das? Ist doch nichts Ungewöhnliches, oder? Homosexualität gab es immer.“
„Na ja, gibt genug Schwulenhasser, die einem das Gegenteil beweisen.“
„Aber doch hoffentlich nicht an der Schule?!“, fragte er und wirkte ehrlich geschockt.
„Nein, natürlich nicht. Es ist zwar verboten, offiziell zusammen zu sein, aber irgendwie gibt’s … genug Auswahl, falls du mal … Bock haben solltest. Also … falls du auch schwul sein solltest, meine ich.“ Ich lachte. „Wobei … die Jungs mit denen ich früher Spaß hatte, sind alle hetero oder bi.“
Mir entging nicht, dass er nicht antwortete auf meine indirekte Frage. Aber ich wollte nicht noch einmal nachhaken. Am liebsten wäre mir sogar gewesen, er hätte mich jetzt angewidert angesehen und mir verkündet, dass er zwar nichts gegen Schwule hatte, aber vollkommen heterosexuell war.
Wir kamen am Flughafen an und ich sprang aus dem Wagen und zog mir eiligst die Jacke an. Kylian stieg ebenfalls aus, blieb aber in der geöffneten Tür des Wagens stehen und lehnte sich auf das Autodach. „Nimmst du eigentlich gar kein Gepäck mit?“
„Ist schon dort, habe es vorausgeschickt. Eigentlich war geplant, dass ich den ganzen Urlaub dort bin.“ Na, wenigstens konnte ich jetzt von meiner weitergesponnenen Lüge mal wieder in ehrlicheres Fahrwasser gelangen. Es widerstrebte mir wirklich, ihn zu belügen. Natürlich war der Schutz von Etienne das Wichtigste, ich kam ganz sicher in keinen Gewissenskonflikt wegen der blöden Lügerei, aber es war mir immer unangenehm, nicht bei der Wahrheit bleiben zu können.
„Hey, danke“, sagte ich und lächelte ihn an. „Wirklich klasse, dass du mich hergefahren hast.“
„Gern. Ich langweile mich sowieso zu Tode und immerhin hab ich jetzt wieder was über das Internat gelernt …“
„Also dann.“
„Ja, bis dann. Und … pass auf dich auf, ja? Nicht, dass du noch mal so … unsanft landest …“
Ich grinste breiter, weil er es so charmant ausdrückte, wie ich umgekippt war. „Werde ich, keine Sorge. Ich … muss dann mal.“
„Alles klar.“ Ich wandte mich um und ging in das Flughafengebäude. Erst nach ein paar Metern sah ich mich noch einmal um und entdeckte, dass er noch immer dort in der offenen Tür stand und mir nachsah.
Kapitel 28
YVES
Ich buchte mit meinem Smartphone einen Flug nach Frankreich, nicht, wie ich behauptet hatte, in die USA, und holte mir die Bordkarte an einem der Automaten ab. Wieso konnte ich nicht einmal genau erklären, es war einfach ein Gefühl.
Als ich vier Stunden später dort ankam, und die Nachrichten auf einem der zahlreichen Monitore in der Abflughalle sah, wusste ich auch, wieso: Ein Bombenanschlag in Paris, ganz in der Nähe von Sacre Coeur sorgte für ungezählte Sondersendungen. Von Terrorismus und befürchteten weiteren Anschlägen war die Rede, man überlegte sogar, die Flughäfen zu schließen. Ich war denen, die Etienne offensichtlich in Angst und Schrecken versetzen wollten, offenbar auf den Fersen.
Und ich spürte, welche Wut ich entwickelte, wenn ich an diese sogenannten Sucher dachte. Keiner von denen sollte es wagen, Etienne auch nur anzufassen. Ich wusste nicht, was ich mit ihnen machen würde, sollte ich tatsächlich einen von ihnen erwischen.
Klar, ich wollte niemanden
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