Duft der Unschuld - Tennington (German Edition)
stirbt.“
„Machst du grade dir selbst Mut oder mir?“, fragte ich leise.
„Bitte, komm her, Kleiner. Vielleicht taucht er in ein paar Tagen schon hier auf.“
„Ja, ist gut, ich steige in Lyon in einen Flieger.“ Es war besser, Zachary zu trauen, das wusste ich. Er kannte mich seit drei Jahren und auf sein Urteil hatte ich mich immer verlassen können. Wieso sollte das jetzt anders sein?
Als der Zug im Bahnhof einfuhr, schwankte ich noch einmal in meiner Entscheidung. Vielleicht sollte ich mir diesen Landsitz wenigstens einmal angucken?
Nein, man sollte nicht mit dem Feuer spielen. Ich war schließlich nicht unzerstörbar …
~*~
Schweren Herzens hatte ich einen Flug nach Bremen gebucht und wurde dort von einer Limousine abgeholt.
Mein Vater ließ es sich nicht nehmen, darin auf mich zu warten und mich während der Fahrt mit Fragen zu bombardieren. Ich ignorierte jede einzelne und starrte aus dem getönten Seitenfenster, während ich ein Hörspiel anhörte.
Vielleicht hatte Zac recht und Etienne würde wirklich noch am Labor auftauchen. Geplant gewesen war genau das ja schon seit kurz vor Weihnachten. Trotzdem, mich ließ dieses Gefühl, es könnte ihm etwas passiert sein, einfach nicht los.
Ich zog die Kopfhörer aus meinen Ohren und sah meinen Vater an, der mittlerweile wohl aufgegeben hatte. Er saß mit versteinerter Miene und vor der Brust verschränkten Armen neben mir und schmollte.
„Gibt es eine Möglichkeit, ihn zu erreichen?“
Er sah mich wortlos an, musterte mich eine ganze Weile und ich war schon versucht, ihn anzubrüllen, nur, damit er überhaupt etwas sagte.
„Da ist mehr zwischen dir und diesem Etienne.“
Ich schluckte. Ach, was sollte es? Hatte ich wirklich so ein Problem damit, mich ausgerechnet vor meinem Vater zu outen? Mir war doch sowieso egal, was er über mich dachte!
„Wieso fragst du? Interessierst du dich neuerdings für mein Privatleben?“
„Yves, du bist mein Sohn. Das stand immer an erster Stelle.“
Ein abfälliges Schnauben drang aus meiner Kehle. „Du hast eine echt seltsame Art, das zu zeigen, weißt du?!“, fuhr ich ihn an. „Also? Wieso fragst du?“
„Du hast einen anderen Gesichtsausdruck, wenn du von ihm sprichst. Seid ihr ein Paar?“
Nicken, das war ganz leicht, deshalb tat ich es. „Viel mehr als das. Aber für Normalsterbliche: Ja, ich bin schwul, ja Etienne ist mein Freund und nein, ohne ihn will ich nicht leben.“
Mein Vater nickte und ich musste blinzeln, bis ich glauben konnte, dass er wirklich lächelte und nicht bloß das Gesicht verzog. Dabei wurde sein Lächeln sogar noch breiter, bevor er antwortete.
„Ich habe immer vermutet, dass du homosexuell bist, aber ich wollte warten, bis du es mir von selbst sagst. Es ist nichts, für das du dich schämen müsstest.“
„Das tue ich nicht! Das bedeutet aber nicht, dass ich es jedem im Vorbeigehen auf die Nase binden muss.“
„Das ist wahr, aber ich bin nicht ‚jeder‘, ich bin dein Vater.“
„Weißt du, Dad, das zeigst du verdammt selten.“
Er seufzte wieder kellertief. „Ich weiß. Na los, erzähl mir von ihm. Wie habt ihr euch kennengelernt?“
Ich stutzte. „Ist … das dein Ernst? Du willst jetzt ein Vater-Sohn-Gespräch über mein Liebesleben führen?“
Er nickte und sah so aufrichtig aus, dass ich grinsen musste.
„Er … ist wie ein kleiner Rabe, der aus dem Nest gefallen ist, und nicht weiter weiß. Und trotzdem macht er weiter, immer. Wenn du ihn siehst, wirst du wissen, was ich meine. Also, vielleicht wirst du das … Manchmal denke ich, dass nur mein Supergehirn wirklich sehen konnte, was ihn ausmacht.“ Mein Blick glitt in die Ferne, so hatte ich noch mit niemandem über Etienne gesprochen.
„Du bist wirklich verliebt“, sagte mein Vater leise.
„Mehr als das. Wir gehören zusammen, verstehst du? Wir … sind verbunden.“
„Verbunden?“
„Zu privat“, sagte ich nur und zu meiner Verwunderung nahm mein Vater das hin.
„Wir werden ihm helfen, Yves. Die gesamte Organisation vertraut deinem Urteil, weißt du?“
Ich schniefte. „Ich habe Angst um ihn, Dad. Er ist nicht wie andere, er reagiert auch nicht wie andere. Etienne ist nicht schwach oder verweichlicht, denk das bloß nicht! Aber er ist … zerbrechlich.“
„Du meinst, emotional angreifbar?“
Ich nickte. „Sehr. Er ist ein Kämpfer wider Willen. Niemand fragt, was er will. Alle wollen nur sein Blut …“
„Yves, sein Blut ist ein Jungbrunnen, was erwartest du? Du weißt,
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