Duft der Unschuld - Tennington (German Edition)
Bescheid?“, fragte er und wir schüttelten einhellig die Köpfe.
„Wir halten es für besser, es geheim zu halten. Der Dekan … er würde es herausfinden und ich habe keine Lust auf Ärger“, erklärte Yves.
Wieder nickte Zachary verstehend, dann sah er auf die Uhr auf dem Kaminsims.
„Hast du noch einen Termin?“, fragte ich.
„Ja, aber erst heute Abend, um 21 Uhr. Wenn ihr zum Abendessen bleiben wollt, ist das kein Problem.“
So war Zachary. Er wusste irgendwie immer schon vorher, weshalb man ihm eine Frage überhaupt stellte. Eine der vielen Eigenschaften an ihm, die mir gefiel. Und ich wusste, wenn ich mir einen Vater hätte aussuchen können, hätte ich ihn genommen.
Wir unterhielten uns, wobei ich mich zurückhielt und der Diskussion über die elisabethanischen Errungenschaften für die heutige Welt schweigend und mit wachsender Bewunderung für meinen Freund lauschte. Yves war weit mehr als nur hochgebildet. Er durchschaute Hintergründe, sah das Gesamtbild und zog Rückschlüsse, so mühelos, dass ich hart schluckte.
Yves war einfach umwerfend. Magnifique !
Verzückt und anhimmelnd beobachtete ich ihn, seine Gesten, wenn er einen Standpunkt vertrat, den Zachary nicht gelten lassen wollte.
Zu keinem Zeitpunkt wurden sie lauter oder vehementer in ihren Worten. Sie sprachen einfach nur miteinander. Gehaltvoll und weise.
Ich holte neuen Tee für uns und machte Zacharys Lieblings-Teegebäck. Teascones . Sie würden mich nicht vermissen, ohne Groll gegen einen von ihnen zu hegen, war mir klargeworden, dass sie mich ausgeblendet hatten. Das erstaunte mich.
Ich war früher gern der Mittelpunkt gewesen. Vor meiner Flucht, vor meiner Gefangenschaft. Hatte in Theateraufführungen meiner alten Schule mitgewirkt, hatte jedes noch so kleine Bad in der Menge genossen, vollständig ausgekostet.
Ich war der coole, unwiderstehliche Etienne Delaport. Und heute? Heute war ich der unauffällige Typ von nebenan, während ich auf der Flucht und bis zu meinem Aufeinandertreffen mit Zachary zu einem verängstigten, schüchternen Jungen geworden war.
Was für einen Wandel hatte ich durchlebt! Unglaublich und doch blieben keine Zweifel. Meine Erlebnisse seit meinem sechzehnten Geburtstag hatten mich verändert. Mich meiner Lockerheit und Unbefangenheit beraubt. Mir mein Urvertrauen gestohlen.
Ich holte die Scones aus dem Ofen, das Tablett mit Butter und Erdbeermarmelade hatte ich schon vorbereitet. Nun nahm ich das duftende Gebäck mit ins Kaminzimmer und stellte es zwischen Zachary und Yves auf den runden Holztisch, auf dem auch unsere Teebecher Platz gefunden hatten.
„Hmmm“, machte Zachary und grinste breit. „War wirklich eine gute Entscheidung, dir das Rezept zu verraten, was?“
Ich lachte und setzte mich. „Klar, ich weiß doch, was für ein Schleckermaul du bist!“
Yves rückte näher und nahm sich ebenfalls ein Teebrötchen, bestrich es dick mit Butter und Marmelade und ich verspürte den Wunsch, anstelle des warmen Gebäcks zu sein. Schnell schloss ich die Augen. Wir würden heute Abend noch Zeit genug für uns haben. Wobei ... Zeit genug? Hatte man die überhaupt, wenn man so süchtig nach einem anderen Menschen war?
Ich beschloss, ja. Denn nicht die Menge der Zeit, die ich mit Yves verbrachte, war entscheidend, sondern nur die Qualität der gemeinsamen Augenblicke.
Und selbst dieser Nachmittag, an dem ich stumm und beinahe ignoriert herumsaß und nichts weiter tat, als zuzuhören, beinhaltete ausschließlich positive Aspekte.
Kapitel 9
Am Sonntag hatten wir Zachary zur Teezeit noch einen kleinen Besuch abgestattet, als wir von einem langen Ausritt zurückkamen und da wir Giacomo und Drent, den Schimmel, den ich ritt, nicht zu lange allein lassen wollten, kam Zachary zu uns heraus und wir sprachen nur kurz.
Sofort fiel mir auf, dass mein ‚Onkel‘ einen Geruch an sich trug, der nicht zu ihm gehörte. Ich kannte ihn, aber ich schaffte es nicht, ihn einzuordnen. Trotzdem grinste ich in mich hinein und war froh, dass Zachary offenbar doch eine Partnerschaft oder zumindest eine Affäre pflegte. Mit wem war doch zweitrangig.
Wir machten uns bald wieder auf den Weg und ritten im Schritt den gewundenen Weg nach Tennington Castle hinauf. Immer wieder warf ich Yves Blicke zu, die er erwiderte.
Wir hatten gestern Nacht in seinem Zimmer geschlafen, zuerst miteinander, dann in inniger Umarmung nebeneinander. Allein die Erinnerung an Yves’ erhitzten, für mich so unglaublich erotischen Körper
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