Duft der Unschuld - Tennington (German Edition)
Schmerz. Es war, als würde ich Buße tun für mein Handeln.
Es erleichterte mich nicht, nahm nichts von meiner Schuld, das wusste ich. Ich seufzte und schaltete das Wasser ab, wickelte mir ein Handtuch um die Hüften und trat vor die Spiegelfront am langen Waschtisch. Ich sah in meine Augen, mein Gesicht. So sah also ein Vergewaltiger aus. Ein Mistkerl, der sich zu nehmen versuchte, was ihm nicht freiwillig gegeben wurde. Ich würgte.
Dann hörte ich ein Schluchzen. Verwirrt sah ich mich um und ging durch den Raum, erreichte die zweite Dusche und blickte um die gekachelte Mauer, die die Duschkabine bildete.
Ich schnappte nach Luft, als mein Blick ihn fand. Zusammengekauert, die Beine an den nackten Leib gezogen, den Kopf in den verschränkten Armen versteckt, saß Etienne dort auf dem kalten Fliesenboden. Seine Schultern bebten, sein ganzer Leib zitterte.
Ohne weiter darüber nachzudenken, dass ich vermutlich der letzte Mensch auf Erden war, der ihm noch einmal nahekommen dürfte, fiel ich vor ihm auf die Knie und streckte die Hände nach ihm aus.
„Etienne!“, hauchte ich fassungslos. „ Mon cher , du musst hier raus, es ist zu kalt!“
Er hob den Blick, als meine Finger sich auf seine Arme legten. Seine Augen waren knallrot, verweint und trüb. Seine Wangen fleckig und doch blass. Er zitterte noch immer. Seine Unterlippe bebte, seine Zähne klapperten laut aufeinander. „Möchtest du mich ficken?“
Ich blinzelte, traute meinen Ohren kaum und schüttelte den Kopf. Jedes seiner gewisperten Worte war wie eine Ohrfeige. Nein, viel lieber hätte ich mich ohrfeigen lassen, als das zu hören!
„Nein“, würgte ich hervor. „Ich möchte, dass du ins Bett gehst und dich aufwärmst. Du bist eiskalt.“
Er nickte fahrig. „Ja, hier ist es zu ungemütlich.“
„Hör auf!“, fuhr ich ihn an. Verstand er denn nicht, dass ich gar nichts von ihm wollte? Dass ich mich nur um ihn sorgte?
Ich ergriff seinen Arm und zog ihn mit mir in den Stand. Dann griff ich nach dem Bademantel unter dem Wandhaken mit seinem Namen und zog ihn Etienne über. Er war wie eine Gliederpuppe. Willenlos und teilnahmslos. Als ich den Frotteegürtel über seinem flachen Bauch zuknöpfte, begann er wieder zu murmeln, aber ich verstand kein Wort. Vielleicht war das besser so.
Ich legte einen Arm um seine Taille und schob ihn aus dem Bad in sein Zimmer. Ich machte Licht und führte ihn zu seinem Bett.
Als wir dort ankamen, schlug ich seine Bettdecke auf und schob ihn auf die Bettkante. „Leg dich hin, Etienne“, flüsterte ich und er tat es. Er rückte in Richtung Wand, wie er es früher getan hatte, damit ich mich zu ihm legen konnte. Ich schluckte hart. Niemals würde ich das wieder tun!
Ich griff über ihn und deckte ihn zu, dann trat ich hastig von seinem Bett zurück. Ich stieß nach zwei Schritten mit meinen nackten Schulterblättern gegen die Wand und fuhr herum. Mein Herz setzte ein paar Schläge lang aus, als ich sah, was er mit dem Bild getan hatte.
Über die schwarzen und grauen Pinselstriche waren nun knallrote gemalt worden. Wild und ohne erkennbares Muster. Sie verdeckten einfach nur die Konturen meiner darauf abgebildeten Brust. Ich wandte mich zur Flucht, konnte aber nicht verhindern, dass ich auch noch das andere, wesentlich größere Bild sah. Er hatte auch dieses mit fahrigen, roten Pinselstrichen verunstaltet. Ich konnte nichts dagegen tun, ich trat näher und meine Fingerspitzen glitten über die dick aufgetragene Farbe. Dann fuhr ich herum und hastete hinaus. Es war, als hätte ich mich verbrannt an dem Rot, an dem, was ich getan hatte, an dem, was passiert war, an dem, was Frank getan hatte.
Ich konnte ihm noch immer nicht die Schuld geben. Die lag allein bei mir. Und ich hatte Etienne damit zerstört.
Ich schaffte es, das Licht bei ihm auszuschalten, seine Tür zu schließen und mich in mein eigenes Zimmer zu retten.
Jetzt konnte ich mich meinem Selbsthass ergeben. Ich lehnte mich von innen an meine Tür und rutschte daran herab, bis ich, nur mit meinem kleinen Handtuch um die Hüften auf dem Boden hockte. In ganz ähnlicher Haltung wie Etienne eben.
Der Gedanke versetzte mir einen weiteren tiefen Stich.
Etienne! Mein armer, süßer, liebenswerter Etienne. Ich hatte es so gründlich versaut, dabei hatte er mir alles gegeben, war sogar jetzt noch dazu bereit. Ließ sich von mir quälen, weil er dachte, er hätte das verdient!
Wie konnte er das denken? Niemand hatte verdient, dass man ihn so
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