Duft der Unschuld - Tennington (German Edition)
nicht. Er hatte sich einen kleinen Einlass geschaffen, war hindurchgekrochen und hatte mit mir im Inneren des kilometerdicken Walls gesessen. Bis ich ihn angebrüllt und weggejagt hatte.
Erst als die Tränen versiegten und Zachary mir ein Taschentuch reichte, machte er sich von mir los und füllte meinen Becher erneut.
„Du musst etwas essen, Etienne.“
Ich nickte und half ihm, den Tisch zu decken.
~*~
Ich starrte aus meinem Fenster über den See hinweg ins Nichts. Die Landschaft hatte sich verändert, die Gerüche auch. Es war Herbst. Ende Oktober. Die orangeroten Blätter der Bäume färbten die grünen Hügel jenseits des Sees und hinterließen warme Farbschlieren in meinem unscharfen Blickfeld. Ich blinzelte und sah, dass Yves am See entlang davonritt. Einen kurzen Moment lang glaubte ich, er sähe zu mir hoch, zu meinem Fenster. Dann verschwand er im Trab hinter einigen Bäumen.
Ich sah auf die Uhr. Es war Zeit, Drent zu satteln und in die Reithalle zu gehen. Die Reitstunde fing bald an.
Im Gegensatz zu Yves mit seiner Sonderregelung nahm ich am Reitunterricht teil. Drent war ein Springpferd und ich liebte es, mit ihm über die Hindernisse zu setzen. Mister Rooth hatte Drent und mich zu einem Leistungsspringen angemeldet, ich musste also trainieren.
Wozu eigentlich? Vielleicht musste ich nur einfach alles beenden …
Aber war das so einfach? Ja, es fiel mir unendlich schwer, Yves dauernd zu sehen, ohne ihm nah sein zu können. Sex war mir egal, ich vermisste die andere Nähe. Die Vertrautheit, die Liebe. Und diese Sehnsucht stand mir im Weg bei meinem selbstmörderischen Gedanken.
Es war ein Fehler gewesen, mich mit ihm einzulassen. Mein Geruchssinn hatte mich gelinkt, mein Urteilsvermögen getrübt und mein Misstrauen unterdrückt.
Das Problem war, dass ich diesen Fehler nur auf eine Art korrigieren konnte. Mit meinem Tod wäre Yves wieder frei. So wie ich mit seinem.
Ein Schauder durchlief mich bei diesem Gedanken. Ich würde einfach tot umfallen, wenn ihm etwas zustieß.
Ich zog meine Reitsachen an und ging nach unten zum Stall. Mein Gedankenkarussell hielt deshalb leider nicht an.
Ich putzte Drent, zäumte ihn auf und sattelte ihn, ohne wirklich mitzubekommen, was ich tat. Es war Routine. Und Drent mochte mein abwesendes Treiben gar nicht.
Als ich seinen linken Hinterhuf auskratzte, biss er mich in den Hintern. Mister Rooth lachte sich halbtot, während ich fluchend und mir die Kehrseite reibend auf der Stallgasse herumtobte.
„Du hast es nicht besser verdient, wenn du ihn wie eine Maschine behandelst!“
Da hatte er wohl recht. Ich beruhigte mich und nickte. Dann kraulte ich den Schimmel und steckte ihm eine halbe Möhre zu. Während er darauf herumknurpste, freute ich mich schon darauf, die verklebte Trense später säubern zu müssen. Aber wenigstens konnte ich ohne weitere Zwickereien die restlichen Hufe auskratzen und ihn in die Halle führen.
Das Training war anstrengend. Ich wurde das Gefühl nicht los, dass Mister Rooth mich heute besonders forderte, um mich für mein blödes Verhalten vorhin abzustrafen. Ich war total erledigt, als ich Drent sauber und trocken in seiner Box ablieferte.
Ich bleib noch ein bisschen bei ihm, kraulte seinen Hals und sah, dass nach und nach alle anderen die Stallungen verließen.
Kapitel 14
YVES
Ich sah zu seinem Fenster hoch, als ich am See entlangritt und Giacomo im Trab über den Weg trieb. Er war heute besonders faul, es kostete mich echte Kraft, ihn in dem Tempo zu halten und ich schimpfte mit ihm.
Ich vermisste Etienne so sehr. Er ging mir aus dem Weg und das, obwohl ich genau wusste, dass er mich ebenso liebte wie ich ihn. Es war einfach nicht fair!
Schon nach ein paar Minuten nutzte Giacomo meine Unaufmerksamkeit und fiel in Schritt. Ich ließ ihm seinen Willen. Zu viele Gedanken und Gefühle kreuzten wie eine ganze Armada durch meinen Kopf. Sie brauchten meine gesamte Aufmerksamkeit.
Noch immer könnte ich mich dafür in den Arsch treten, dass ich versucht hatte, Franks unabsichtlichen Ausrutscher zu kaschieren. Ich hätte einfach direkt zu Etienne gehen und ihm alles sagen sollen. Dabei wusste ich nicht einmal, ob das etwas geändert hätte.
Oder doch, denn Etienne wusste, dass ich überhaupt nicht fremdgehen konnte, dass ich an ihn gebunden war und das gern, liebend gern!
Ich wollte keinen anderen Schwanz in mir, wollte keinen anderen Mann vögeln. Nur ihn. Nur Etienne.
Meine Lenden regten sich. Allein der Gedanke an Sex mit ihm
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