Duft der Unschuld - Tennington (German Edition)
Im Stillen, nein sogar mit einem Schluchzen, dankte ich dem Himmel dafür, dass man sein Gesicht nicht hatte sehen können auf den Fotos vom Tatort. Auf einer Liege, festgeschnallt und hilflos, mein Etienne!
Ich wusste nicht, was ich machen sollte, ich würde ausrasten, wenn ich nicht gleich einen Flug fand, der mich nach Paraìba bringen würde!
~*~
Der Flug dauerte endlos, so endlos lange. Mein Gehirn arbeitete allerhöchstens mit halber Kraft, so sehr lenkten mich die wiederkehrenden Bilder vom verletzten Etienne ab. Wie hatte das passieren können? War das einer der Sucher der Delaports gewesen? Oder war er einfach zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen? Und wo war Zachary?
Ich hoffte, dass er nicht zu den 22 Toten zählte. Das würde Etienne nicht verkraften.
Nach der Landung brauchte ich noch eine gute halbe Stunde, um mich durchzufragen, in welches Krankenhaus man die Opfer des Bombenanschlags gebracht hatte, dann stand ich an der Information des richtigen und fragte nach, wohin ich musste.
Weil ich keine Idee hatte, unter welchem Namen er eingeliefert worden war, fragte ich nach dem jungen Mann mit dem blauschwarzen Haar und die Sekretärin in der Zentrale des Hospitals ließ mich eiskalt abblitzen. Na gut, dann eben mit der ‚dunklen Kommunikation‘ und Bingo, sie dachte tatsächlich an die Zimmernummer eines Opfers.
Ich wandte mich ruckartig ab und nahm die Treppenstufen in den vierten Stock im Laufschritt. Ich stürzte in das Zimmer , ohne anzuklopfen, wollte einfach nur möglichst schnell bei ihm sein – und erstarrte.
Hier lag kein Junge mit schwarzem Haar, hier lag ein totenblasser Zachary!
Ein Stoßgebet später war ich neben ihm und ergriff seine Hand. Er war verkabelt und schien zu schlafen, doch als ich ihn sacht anstupste und seine Hand knetete, flatterten seine Lider und er sah mich an.
„Zac! Du lebst!“, wisperte ich und meine Stimme kiekste. „Wo ist Etienne?“
„Ich … weiß es … nicht“, brachte Zachary irgendwann hervor. Ich reichte ihm ein Glas Wasser, dann ging es besser.
„Es tut mir so leid, dass ich es nicht früher bemerkt habe!“, haspelte ich und zog mir einen Stuhl an das Bett. Ich musste rauskriegen, wo Etienne war!
„Schon gut, Yves. Ich … bist du dir sicher, dass er lebt?“
Ich nickte heftig. „Ganz sicher. Wenn du von nichts weißt, muss ich kurz die anderen Zimmer der Station durchsuchen.“
Er lächelte mich gequält an und ich verschwand. Es dauerte einige Minuten, aber dann war ich sicher, Etienne war nicht auf dieser Station. Ich ging zum Schwesternzimmer und fragte nach, immerhin hatte Zachary sich noch an den aktuell genutzten Decknamen erinnert. Die Schwester sah mich mitleidig an und schüttelte den Kopf.
„Er ist nicht mehr hier. Seit drei Tagen schon nicht mehr.“
Meine Knie wackelten schon wieder, das wurde langsam zur Gewohnheit und ich wunderte mich darüber. Meine künstlichen Gelenke sollten doch eigentlich stabiler sein, mir mehr Halt geben … aber wie sollten sie? Auch sie wurden einzig durch mein Gehirn gesteuert und das hatte derzeit den einen oder anderen Aussetzer vorzuweisen …
Ich bedankte mich und ging zu Zachary zurück, noch bei ihm am Bett rief ich meinen Vater an und organisierte die Abholung des ‚Buchhändlers‘.
„Ich muss gehen, Zac, mach dir keine Sorgen, ich finde ihn!“ Dabei war ich mir nicht sicher, ob das stimmte.
Trotzdem verlor ich keine Zeit und begab mich mit Hilfe der spärlichen Informationen, die ich Zachary hatte entlocken können, auf die Suche.
Innerhalb weniger Tage fand ich immerhin einen kleinen Hinweis, dass er das Land verlassen hatte. Und das auf gänzlich anderem Weg, als er und Zachary es ursprünglich geplant hatten. Etienne schien dazu übergegangen zu sein, mehr oder minder das Gegenteil von dem zu tun, was sie vorgehabt hatten.
Ob das nur meine Vermutung oder ein klar durchdachter logischer Schluss war, ich hatte keine Ahnung. Mittlerweile war mein Gehirn auf Hochtouren damit beschäftigt, sich selbst um den Verstand zu denken.
Es fiel mir immer schwerer, die Areale meines Hirns bewusst zu nutzen, zu steuern, was da oben drinnen passierte.
Ich schob das auf meine wahnsinnige Angst um Etienne, denn mit den nächsten Tagen fand ich eine Spur, die nicht von Etienne, aber von seinen offensichtlichen Verfolgern stammte. Immer wieder gab es Bombenanschläge, immer wieder wurden viele unschuldige Menschen getötet und immer wieder hoffte und betete ich, dass Etienne
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