Duft der Unschuld - Tennington (German Edition)
ihnen entkommen war.
Ich war mittlerweile von Brasilien nach Südafrika, von dort in die Vereinigten Staaten und weiter nach Schweden geflogen. Einer Eingebung folgend war ich von dort aus nach Schottland gereist, mit einer Fähre. Ein Taxi setzte mich vor der Buchhandlung ab und ich versuchte herauszufinden, ob Etienne sich vielleicht hier versteckt hielt.
Das Haus jedoch war leer. Kein Etienne. Missmutig ging ich durch den Ort, machte irgendwann kehrt und wollte zur Burg hinaufgehen. Vor dem Pub stieß ich mit einem jungen Mann zusammen, den ich hier noch nie zuvor gesehen hatte.
~*~
„Entschuldigung, ich habe dich wohl übersehen“, sagte er mit einer freundlichen Stimme und ich blickte ihn stirnrunzelnd an.
Mon dieu , aus welchem Katalog für Traummänner war der denn herausgefallen? Ich schluckte und nickte, dann setzte ich meinen Weg fort. Er mochte ja wirklich toll aussehen, aber an Etienne kam schlichtweg niemand heran!
Ich stiefelte den gewundenen Weg nach Tennington Castle hinauf. Wenn ich schon hier war, sollte ich auch Etiennes Zimmer und das Geheimversteck durchsuchen. Und dann konnte ich auch noch Giacomo hallo sagen.
Ich spürte irgendwann, dass mir jemand folgte, und wandte den Kopf, nur um wieder diesen Megaschönling zu sehen. Er winkte und ich blieb seufzend stehen. Ich hatte wirklich keine Lust, mit ihm zu reden oder sonst was!
„Was willst du?“, fragte ich deshalb schroff und erntete einen beinahe verletzten Blick.
„Tut mir leid, ich wollte dich nicht aufhalten … Ich … gehe bald auf die Schule da oben und irgendwie hatte ich das Gefühl, du könntest auch ein Schüler von dort sein …“
Ich setzte kommentarlos meinen Weg fort und er beeilte sich, Schritt zu halten.
„Es kommen nur selten Schüler mitten im Jahr an“, brummte ich.
„Ja, es war auch anders geplant gewesen, aber … Wie sind die Lehrer so?“
„Nett. Hör zu, ich habe grad echt keine Zeit, okay? Du wirkst ziemlich nett, sonst hätte ich dir vermutlich längst eine reingehauen …“ Ich staunte selbst über meine Worte.
„Oh, ich wollte dich wirklich nicht nerven. Du siehst ziemlich angespannt aus. Mein Name ist Kylian. Ich … geh dann mal wieder. Wohne derzeit noch im Dorf …“ Er wandte sich um und ich setzte meinen Weg erleichtert und noch schneller fort.
Es nützte nichts, Etienne war nicht hier. Wieso aber war ich hergekommen? Hatte ich ihn wirklich für so lebensmüde gehalten? Ich wusste es nicht, ich wusste irgendwie gar nichts mehr. Müde und irgendwie innerlich erschöpft fiel ich im Geheimversteck auf die Matratze und starrte in den künstlichen Sternenhimmel. Die anderen Lampen hatte ich nicht angeschaltet.
Mein Blick verschwamm und ich stellte mir vor, Etienne wäre hier bei mir. Ich zog eine der Decken an mich, umarmte sie und legte ein Bein darüber. Illusion. Ich brauchte ein paar Augenblicke lang den hier noch spürbaren Duft seiner Unschuld und die Vorstellung, ihn zu umarmen. Ich wollte doch nichts weiter, als ihm nah zu sein. Hoffentlich fand ich ihn bald!
~*~
Zum Frühstück musste ich ins Dorf, der Bäcker hatte bereits geöffnet und ich saß mit zwei belegten Brötchen und einem Becher Tee an einem der kleinen Cafétische, während ich die wenigen Passanten und Kunden beobachtete.
Alle paar Minuten tröpfelten sie herein, bestellten Backwerk, erzählten der Verkäuferin den neuesten Klatsch, wer gesund und wer krank geworden war, Smalltalk auf Dörfisch sozusagen. Ich genoss diesen Frieden, diese zur Schau gestellte Normalität, die meinem eigenen Leben derzeit so abging.
Ich trank gerade den letzten Schluck Tee, als der fremde Junge, nein, Kylian, die Bäckerei betrat und sich drei Brötchen bestellte. Das wunderte mich ein wenig, denn die einzige Pension hier in Tennington war ein typisches Bed and Breakfast. Wenn er sich also um eine Mahlzeit am Tag nicht selbst zu kümmern brauchte, war es das Frühstück!
Mein Blick, versteckt hinter dem Rand des Teebechers, glitt über seine Gestalt.
Er war groß, hatte relativ breite Schultern, lange Beine und in der hautengen Jeans, die er trug, einen süßen, kleinen Knackarsch. Sein Haar war dunkel, zumindest die Spitzen, die unter der Wollmütze hervorlugten. Und wie ich von den zwei kurzen Begegnungen gestern wusste, hatte er dunkelblaue Augen. Vielleicht waren sie auch grünblau, wenn es die Augenfarbe überhaupt gab. Sein Gesicht wandte sich in meine Richtung und unsere Blicke trafen sich. Ich musste die verdammte
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