Duft des Mörders
Ende hatte Frank seine Familie dazu bewegen können, endlich zu Bett zu gehen. Während er Danny noch beim Packen half, rief Jenna ihren Vater an, um ihn wissen zu lassen, wie es Frank ging und dass sie sich bald auf den Heimweg machte.
Sie saß im Wohnzimmer und lauschte den leisen Stimmen aus den Schlafzimmern im oberen Stock. Ihre Gedanken kreisten um die Männer, die das Leben dieser Familie so sehr aus dem Gleichgewicht gebracht und Frank beinahe umgebracht hatten. Was war es, das
Bratstvo
so unantastbar erscheinen ließ und damit diese Organisation so furchterregend machte? War es Geld? Waren es die richtigen Verbindungen? War es die Gnadenlosigkeit? Oder womöglich eine Kombination aus allen dreien?
So wie die Mafia und andere kriminelle Organisationen war es sehr schwer, an
Bratstvo
heranzukommen. Aber es gab immer Mittel und Wege, die Schuldigen ihrer gerechten Strafe zuzuführen. Zum Beispiel durch Informanten – Männer und Frauen, die bereit waren, vor Gericht auszusagen, und damit ihr Leben riskierten, um andere zu schützen.
Jennas Vater hatte viele derartige Informanten gekannt. Ihre Namen waren nur ihm und einem kleinen Kreis engster Mitarbeiter bekannt. Die Fakten, die sie von Zeit zu Zeit lieferten, hatten es ihm möglich gemacht, manch zwielichtige Gestalt vor Gericht zu stellen. Die meisten dieser Informanten waren in den Genuss des Zeugenschutzprogramms gekommen, hatten eine neue Identität und ein neues Leben erhalten. Andere wiederum waren noch immer als aktive Informanten tätig; Jenna nahm an, dass diese Leute jetzt Marcie mit Insider-Wissen über
Bratstvo
versorgten. Allerdings waren ihres Wissens schon seit Jahren keine Mitglieder von
Bratstvo
mehr verhaftet worden.
Wusste vielleicht einer dieser Informanten, wer hinter den Drohungen gegen Frank und seine Familie steckte? Und wenn ja, würde man ihn zum Reden bewegen können?
Jenna wusste, dass ihr Vater Akten von alten Fällen zu Hause aufbewahrte, Fälle, die er verloren hatte, psychologische Profile von Kriminellen, die niemals gefasst worden waren. Auch jetzt, vier Jahre nach seiner Pensionierung, ging er in unregelmäßigen Abständen diese Fälle durch, immer auf der Suche nach einem Detail, das ihm möglicherweise entgangen war. Wenn sie an seine
Bratstvo
-Akte herankommen konnte, würde sie darin vielleicht die Namen jener Informanten finden, die noch immer aktiv und jetzt für Marcie tätig waren.
„Hey.“ Sie spürte, wie sich zwei Hände sanft auf ihre Schultern legten, und drehte sich zu Frank um, der hinter ihr stand.
„Ich hörte dich gar nicht nach unten kommen.“
„Du warst in Gedanken versunken.“
„Ich habe nur versucht, mich zu entspannen.“ Sie sah ihn an, während er mit vorsichtigen Schritten um das Sofa herumkam. „Und? Wieder alles im Griff?“
Ein Lächeln huschte über sein übel zugerichtetes Gesicht. „Einen Moment lang sah es so aus, als würde alles außer Kontrolle geraten, nicht wahr?“
„Ja, aber du hast dich durchsetzen können.“
„Erst mal abwarten, was morgen früh ist.“ Er deutete hin zur Küche. „Vinnie hat noch Kaffee gekocht. Möchtest du eine Tasse, bevor du nach Hause fährst, um zu packen?“
„Im Augenblick nicht.“ Jenna klopfte auf das Kissen neben ihr. „Setz dich zu mir, Frank, ich muss mit dir reden.“
„Oh, oh, das klingt gar nicht gut.“ Er ließ sich auf das Sofa sinken. „Aber okay, ich bin ganz Ohr.“
„Erst einmal nimmst du die hier.“ Sie gab ihm zwei Schmerztabletten und reichte ihm ein Glas Wasser, das sie aus der Küche mitgebracht hatte.
Er verzog das Gesicht. „Muss das sein?“
„Du hast es schon viel zu lange hinausgezögert. Es gibt keinen Grund, Schmerzen zu erdulden, wenn es auch anders geht. Also stell dich nicht an und nimm jetzt deine Tabletten.“
„Habe ich dir schon gesagt, dass du die sturste Frau bist, der ich je begegnet bin?“
„Und du hast immer gedacht, ich würde mich von allen herumschubsen lassen.“ Sie lachte, als sie seine verblüffte Miene sah. „Nun guck nicht so erstaunt, ich habe dir gesagt, dass ich dich allmählich durchschaue.“
Er nahm die Tabletten und trank einen Schluck Wasser, um sie hinunterzuspülen. „Jetzt zufrieden?“
„Restlos.“ Als ihr auffiel, dass er ein wenig verkrümmt saß, schob sie ihm vorsichtig ein Kissen in den Rücken. „So besser?“
„Viel besser.“
Sie warf einen Blick zur Treppe, um sicher zu sein, dass sie nicht belauscht wurden. „Ich wollte vorhin vor
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