Duftspur
so einer Situation?
»Elektrosmog«, erläutert sie ungefragt. »Die Dinger sollen Krebs verursachen«, ergänzt sie und dreht sich eine.
»An Handykrebs wirst du sicher nicht sterben«, entgegne ich, während wir aussteigen. Ich erkläre ihr das weitere Vorgehen und bitte sie beim Wagen zu bleiben, was sie ablehnt. Sie wühlt auf dem Rücksitz in ihrem Seesack, kramt ihn hervor und will mit mir Sprit schnorren.
»Schnorren kann ich. Wenn es dazu eine Ausbildung gäbe, hätte ich sie als Jahrgangsbeste abgeschlossen. Weißt du, was die Kunst beim Schnorren ist?« Nein, und ich weiß auch nicht, ob ich es wissen will, denk ich.
»Du musst den Leuten ein gutes Gefühl verkaufen. Nicht so plumpe Dinger von wegen: Sie haben doch nichts gegen Exhäftlinge ... nee, so geht das nicht ...«
Ich glaube ihr jedes Wort und sie plappert in einem fort. Würde sie den Schnabel halten, könnte ich mich sicher besser konzentrieren und mich zielstrebig mit großen Schritten Schrauberklaus’ Domizil nähern. Wir haben Glück. Im Ort sind überall kleine Wegweiser angebracht. Ich meine mich zu erinnern, dass wir uns in Richtung des Museums bewegen müssten. Während wir den menschenleeren Ort durchwandern, führt Luca mir ihre Theorie zum Komplex Evolution und Geschwindigkeit durch Technik aus. An sich ist das kein uninteressantes Gebiet, doch mir ist derzeit nicht zum Diskutieren zumute, besonders nicht in Anbetracht der Tatsache, dass wir uns mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von fünf Stundenkilometern bewegen, weil die Technik keinen Saft mehr hat. Beim Thema Evolution fällt mir ein, dass Klaus erwähnte, er sei eine Art Höhlenbewohner und in seiner Nähe hätten Forscher in der schotterhaltigen Lehmfüllung eines Stollens Knochenreste von Tieren aus der Eiszeit gefunden. Gewundert hat mich damals neben dem Fund die fast vortragsartige Wortaneinanderreihung eines ansonsten stillen Kauzes. Wir wenden uns Richtung Schlucht. Derweil plätschert Lucas Redestrom an mir vorüber. Doch jetzt im beginnenden dunklen, kühlen Forst wird ihre Stimme gedämpfter. Endlich, ich bin erlöst und am Ziel. Schrauberklaus’ Ziegelbau tut sich vor uns auf und aus dem Inneren höre ich seinen Kassettenrekorder dudeln: ›Born to be wild‹ in einer philharmonischen Bearbeitung.
Klar hat er Sprit für mich. Schrauberklaus scheint sich keinen Moment darüber zu wundern, was ich mit einem Paradiesvogel am Sonntagnachmittag bei ihm will. Ganz so als käme ich immer um diese Zeit mit einem leeren Kanister vorbei. Während er abfüllt, schlendert Luca durch die Reihen alter Zweiräder, die einen Eindruck längst vergangener Zeiten beim Betrachter hinterlassen. Nostalgie will sich einstellen, während der Blick über die alten Fabrikate schweift und einen vergessen macht, warum man hier ist. Zyndapp KS 50, Herkules Ultra, Kreidler Florett, Adler, sogar eine alte Harley und eine NSU mit Einschusslöchern. Vor einer blauen Schwalbe bleibt sie stehen.
»Sind die alle fahrtüchtig?«, frage ich ihn.
»Jeep«, sagt er bescheiden, während ich staune und er den Kanister zudreht. Als ich im Geld geben will, winkt er ab. Unsere Köpfe schießen gleichzeitig in die Höhe, als wir aus der Scheune das unverwechselbare Geräusch eines startenden Zweitakters wahrnehmen. Keinen Sekundenbruchteil später knattert Luca aus der hinteren Tür davon, eine blaue Wolke hinter sich herziehend. Ich war gerade im Begriff, mein bisschen Geld wieder einzustecken, da greift Schrauberklaus danach und meint:
»Dat schickt net.«
16
Willkommen im 16. Jahrhundert! Diese freundliche Begrüßung prangt auf einem Transparent über dem ersten Einlass in den Burghof. Mein Gefährt hat sich tapfer durch die Anstiege des Örtchens an der Sieg gequält. Nachdem ich von Erdbach allein bis zur Kalteiche gefahren bin, aufgetankt und Alfons über die letzten Ereignisse ins Bild gesetzt habe. Der hat vielleicht getobt, doch gleichzeitig versichert, mich träfe keine Schuld. Beim Wörtchen ›Schuld‹ habe ich ihm Schrauberklaus’ Bankverbindung durchgegeben. Ob ich die Polizei rufen solle? Auf gar keinen Fall, hat er gesagt. Mein innerer Advokat war da entschieden anderer Meinung. Jedenfalls wäre es jetzt noch wichtiger, dass ich meinen Dienst anträte, sonst sei er, Alfons, beim Herbergsvater unten durch, der seinerseits wiederum in direkter Linie mit einem aus der Verwaltung des Werkstattträgers verwandt sei. Im Grunde hasse ich solche Kungelgesellschaften, habe
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