Duftspur
ein Heiner. Heiner Himmel«, stelle ich mich vor, »wenn Sie Jörn Jäger sind, haben wir miteinander telefoniert.«
Die Mine des Manns hinter einem weiteren vor Arbeit sich biegendem schrabbeligen Schreibtisch hellt sich auf. Er scheint erleichtert, dass er sein Gegenüber wegschicken kann. Er verzichtet darauf uns einander vorzustellen. »Wir hätten es dann«, sagt er an ihn gerichtet. Der andere Mann vom Schlage eines Kirmeshelfers, schlecht ernährt und noch schlechter rasiert, dunkle volle Haare, seine Oberlippe ziert ein mächtiger, fransiger Schnauzer, nickt und murrt: »Klar.« Ob das tatsächlich der andere im VW Bus war, frage ich mich, wobei Kalles linke Augenbraue steil in die Höhe geht.
»Heiner Himmel, haha«, lacht der Burgherr, »da waren Ihre Eltern ähnlich kreativ wie meine.«
Jäger grinst noch immer, während er mir seine schmale Hand über den wackligen Tisch reicht. Von handswegen könnte er Pianist sein. Der ganze Kerl ist eher zart, was ich nicht erwartet habe, seiner tiefen, voluminösen Stimme nach zu urteilen. Sollte er um die Ecke grollen, flößt das den Jugendlichen sicherlich Respekt ein, doch nur solange sie ihn nicht sehen. Ich schätze, Jäger ist in meinem Alter. Sein feines Haar ist frisch gefönt. Irgendwas an ihm erinnert mich an Günter Netzer. Im klassischen Zweireiher gäbe Jörn Jäger ein fernsehtaugliches Bild ab. Smart. Derzeit trägt er ein derart leuchtend gelbes T-Shirt, dass es blendet und wenn man die Augen schließt, tanzen grüne Punkte hinter den Lidern.
Wir klären das Nötigste, wie Papiere, Lohn, Arbeitszeit und Arbeitsdauer. Alles Weitere, so Jörn, ergäbe sich. Er wie auch Udo, den ich eben schon gesehen hätte, aha, der Kirmesmensch hat einen gängigen Namen, würden großen Wert auf selbstständiges Arbeiten legen, denn wenn man alles lang und breit erklären müsse, könne man es ja gleich selbst erledigen. Er mustert mich, überfliegt meinen Lebenslauf, nickt zufrieden und meint:
»Gar nicht mal so ungünstig, dass Alfons dich kurzfristig aus dem Hut gezaubert hat.«
So ganz verstehe ich die Bemerkung nicht, denn mir sagte Alfons, der Verantwortliche vor Ort wisse Bescheid, dass er zwei Aushilfen bekommt. Die Frage ist, wie viel Bescheid weiß Jörn?
»Die andere Hilfe wird sich verspäten, aber offiziell geht es ja auch erst morgen los«, werfe ich ein.
»Die Andere?«, fragt Jörn Jäger zurück. Ich blicke ebenso fragend wie er, weil ich das Gefühl habe, mich auf rutschigem Boden zu befinden.
»Ach, ja, jetzt fällt es mir wieder ein«, erwidert er phlegmatisch und guckt dabei immer noch irritiert.
Wo die blaue Luca wohl abgeblieben ist? Ich sollte mir Sorgen machen, habe aber das Gefühl, dass die Göre Ärger gewohnt ist und irgendwie durchkommt. Außerdem schien Alfons zu wissen, wo sie ist und was er tut. Ob ich mich darauf verlassen kann? Wäre doch möglich, dass Alfons mich erst zu dem Zeitpunkt empfohlen hat, als er merkte, dass seitens Luca Ärger droht. Vielleicht hat er damit gerechnet, dass sie die Arbeit nicht antreten wird. Hier stimmt was nicht.
»Wie es aussieht, kann ich euch auf jeden Fall beide gebrauchen, wenn hier das Mittelalter einzieht. Wir haben schon 220 Anmeldungen«, vermeldet Jörn sich seiner Sache wieder sicher und nicht ohne Stolz.
»Wenn die alle kommen, bin ich froh um jede helfende Hand. Also, sauber bleiben und nicht zu blöd anstellen, dann klappt das schon«, dabei klopft er mir kumpelhaft auf die Schulter, während wir zur Tür hinausgehen. Ich bekäme jetzt eine Burgführung für Schnellmerker und morgen um fünf Uhr sei Arbeitsbeginn.
»Doch zuvor muss ich noch kurz telefonieren. Geh schon mal den Gang hier zurück, die Treppe rauf, immer dem Lärm folgen, wir treffen uns dann im Rittersaal.«
18
Na, hoffentlich gibt es hier nicht noch frisch gepressten Orangensaft gratis fürs Personal. In solchen Betrieben muss man sich in Acht nehmen. Da ist höchste Vorsicht geboten, wenn man sich gleich duzt und das Vitamin C vom Chef frei Flüssigkeitshaushalt gestellt wird. Ich habe schon mal in einer solchen Firma gejobbt. Da wurde viel gemobbt, aber zusammen kostenlosen Saft trinken und sich dabei orangenfleischgleich, unverdorben und vollmundig zulächeln. Werd nicht zynisch, maßregelt mich Marie wie damals, als ich ihr vor dem Workshop: Im Zwiegespräch mit dem Element Wasser, anriet, das Wasser auch einmal zu Wort kommen zu lassen. Den Minijob habe ich fristgerecht durchgestanden, die Ehe nicht.
Weitere Kostenlose Bücher