Duke - Ein weiter Weg zurueck (German Edition)
meiner Sitzhöcker wendete ich Lady, parierte sie durch zum Schritt und sprang vor Melanie und Thomas ab.
Melanies Augen glänzten vor Eifer, sie hing an den Lippen von Thomas, lauschte auf jedes seiner Worte. Jetzt wurde mir klar, wo das eigentliche Problem lag. Melanie schwärmte heimlich für Thomas. Deshalb war ihr sein Urteil auch so wichtig gewesen. Genau das wusste Thomas, denn er kniff mir ein Auge, als Melanie kurz den Blick abwendete und zu mir sah.
„Soll ich Lady noch mal reiten?“, fragte Melanie eifrig.
„Ja, reite ein paar Hindernisse mit ihr und denk daran, was ich dir erklärt habe.“ Ich stellte mich zu Thomas, als Melanie losritt, und behielt sie im Auge. Tatsächlich versuchte sie, mehr über ihre Mitte zu reiten. „Warum bist du heute so früh da?“ Er war sonst nie vor sechs Uhr im Stall erschienen.
„Ich habe gestern gesehen, wie du mit Lucky aus dem Wald geritten kamst. Ich war neugierig, ob du heute wieder Reiten würdest und mir war klar, dass ich das nach sechs Uhr bestimmt nicht mehr feststellen kann.“
Wir beide konzentrierten uns auf den Ritt von Melanie. Sie verfiel wieder in ihren alten Fehler, nachdem Lady das Tempo anzog. „Hör auf, in den Zügeln zu hängen“, rief ich ihr zu. Lady schlug unwirsch mit dem Schweif.
„Du verlierst am Donnerstag“, merkte er an.
„Es geht nicht um Verlieren oder Gewinnen.“ Ich drehte mich zu ihm um. „Es geht darum, jemandem eine Chance zu geben oder nicht.“
„Weißt du eigentlich, wie schwer das ist, was du machst?“
„Ich verstehe nicht, was du meinst.“
„Na, mit dem Reiten. Bei dir sieht das alles ganz leicht aus. Du lässt ein Pferd laufen, findest seine Bewegung heraus, passt dich an, und schon läuft das Pferd unter dir, wohin du willst.“
„Ganz so einfach wie du es sagst, ist es nun auch wieder nicht, dahinter steckt Arbeit.“ Ärgerlich pustete ich mir eine Strähne aus der Stirn. Er wandte seinen Blick von Melanie ab und sah mich an.
„Doch, ist es, weil du Talent hast. Dir ist alles zugeflogen, wofür ich jeden Tag hart gearbeitet habe. Du hörst auf mit dem Reiten, beschließt wieder zu reiten und alles ist genauso, wie es immer war.“ Er langte nach meiner Strähne und steckte sie mir hinter das Ohr. Bei seiner Berührung zuckte ich zusammen. Er lächelte mich an.
„Es ist schön, dass du wieder reitest. Ich soll dich übrigens von Henning grüßen.“
„Du hast ihm nicht erzählt, dass ich reite.“
„Doch, habe ich.“
Ich schluckte meine nächste Bemerkung ärgerlich herunter. Eigentlich war es auch egal. Das Gefühl, wieder ein Stück weit mehr ich zu sein, blieb. Und mehr ich zu sein bedeutete, unabhängiger von Henning zu sein.
„Holst du Henning am Sonntag vom Flughafen ab, oder soll ich jemanden schicken?“ Er drehte sich wieder zu Melanie und Lady.
„Henning kommt am Sonntag aus Kanada zurück?“, fragte ich überrascht. Ein amüsiertes Lächeln huschte über seine Lippen. „Oh, seid ihr schon so weit, dass ihr nicht mehr miteinander redet? Das ging aber schnell.“
„Nein, nein, mir war nur nicht klar, dass es diesen Sonntag ist. Mama und Papa kommen am Freitag.“ Ich biss, in einem Anflug von Panik, mir auf die Lippen. Wie sollte es weitergehen mit uns beiden?
Er lachte auf und drehte sich zu mir um. „Ich habe gleich gesagt, dass das alles nicht funktioniert. Eigentlich hättest du es wissen müssen.“
Einen kurzen Moment war ich versucht, meinen Ärger an ihm auszulassen. Aber im Grunde hatte er nur ausgesprochen, was mich seit Tagen beschäftigte. Melanie kam mit Lady zu uns.
„Gut gemacht“, sagten Thomas und ich gleichzeitig. Ihr Gesicht strahlte. „Ehrlich? Es fühlte sich auch ganz toll an.“
„Reit sie trocken und bring sie in den Stall“, sagte ich zu ihr. Als sie vom Platz ging, wandte ich mich an Thomas.
„Ich hole Henning am Sonntag ab.“
21
Während der restlichen Woche vergaß ich den Anruf bei Irene Westfeld. Meine ganze Aufmerksamkeit galt dem wieder entdeckten Reiten, Melanies Training und dem Gedanken „Wie sage ich es meinen Eltern“. Am Donnerstag baute ich den Parcours für den Test auf. Ich passte ihn auf die Stärken von Lady und Melanie an. Thomas kam, musterte den Aufbau und durchschaute direkt meine Absicht. Er schüttelte den Kopf, ich zuckte die Achseln. Gemeinsam bauten wir ihn um, bis er seinen Ansprüchen genügte.
Thomas war nicht alleine gekommen, Selina begleitete ihn. Ihre langen Haare in einem lockeren Dutt
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