Duke - Ein weiter Weg zurueck (German Edition)
herausgekommen. Er war mit mir und Fly in den Stall gegangen. Wir sprachen miteinander über seinen Abflug und mein Turnier. Mein großer Tag, wie er es nannte. Doch das war es nicht, wonach ich forschte. Es war ein anderer Satz, der hochkam. „Wir Sanders verlieren nicht gerne.“ Genauso hatte er es mir, in einem plötzlichen Gefühlsausbruch, ins Ohr geflüstert. Adrenalin schoss durch meinen Körper. Was, wenn der Unfall gar kein Unfall gewesen war? Blödsinn, sagte mir meine Vernunft. Du bist völlig durcheinander von dem Traum. Trotzdem setzte sich der Gedanke wie ein giftiger Stachel in mir fest.
Während ich anfing, die Boxen zu misten, traf ich zwei wichtige Entscheidungen. Die erste Entscheidung lautete, dass ich herausfinden wollte, was genau mit Fly passiert war. Es musste Unterlagen geben, schließlich war es ein internationales Turnier gewesen, und da wurde ein Unfall nicht einfach so ad acta gelegt. Dunkel erinnerte ich mich sogar an ein Gespräch mit einem Mann von der FEI, der mir Fragen gestellt hatte. Sowie an einen Brief, der mir bescheinigte, dass alle Anklagepunkte gegen mich fallen gelassen worden waren und ich weiterhin auf Turnieren starten durfte. Dieser Brief musste noch irgendwo sein.
Die zweite Entscheidung war für mich schwerwiegender. Ich beschloss, Lucky zu reiten. Dafür sprachen zwei Gründe. Der eine hing mit Melanie und Lady zusammen. Ich konnte ihr nicht weiterhelfen, wenn ich keinen Weg fand, ihr verständlich zu machen, worum es ging. Und das funktionierte nur über das Reiten. Der zweite Grund war komplizierter. Ich fühlte mich von Henning manipuliert in allem, was ich bisher gemacht hatte, seit ich hier war. Angefangen beim Bauen von Zäunen bis zur Übernahme meines alten Jobs. Wieder zu reiten konnte nur ich ganz alleine schaffen. Und ich hoffte, es würde mir den Mut geben, die Kraft zu finden, meinen Weg im Leben zu gehen und meine eigenen Entscheidungen zu treffen.
Als ich sah, dass Sam in sein Auto stieg wie jeden Freitagabend, wagte ich mein Experiment. Ich wollte keine Zuschauer haben, wenn ich scheiterte. Ich sattelte Lucky und brachte ihn auf den Platz. Er war die größte Herausforderung im Stall, mit Ausnahme von Duke. Wobei ich mir bei Letzterem sicher war, dass er mich ohne Wenn und Aber tragen würde, egal wohin ich ihn lenkte. Doch von Lucky erhoffte ich mir eine ehrliche Antwort, ob ich es wert war, dass mir ein Pferd wieder sein Vertrauen schenkte konnte. Er würde mir die Aufgabe nicht leicht machen und mir einen Fehler nicht einfach verzeihen.
Lucky ließ sich erstaunlich brav von mir satteln. Seine Augen sahen mich tückisch an. Was ich mir vermutlich bloß einbildete. Mir klopfte das Herz bis zum Hals, so nervös konnte ich unmöglich das Pferd besteigen. Meine Angst würde sich sofort auf ihn übertragen. Also ging ich Runde um Runde mit ihm quer über den Platz, bis ich merkte, dass ich ruhiger wurde. Interessanterweise folgte mir das Pferd ohne zu zögern. Es schien, als hätte ich erneut seine Neugierde geweckt, zu erfahren, was ich mit all dem beabsichtigte.
Zum zweiten Mal stellte ich ihn vor mir auf. Mein Fuß glitt in den Steigbügel. Ich fühlte mich ein wenig steif, als ich mich auf seinen Rücken schwang. Völlig verkrampft saß ich auf ihm und konnte seine Anspannung im ganzen Körper fühlen. Ich machte mich darauf gefasst, dass er jede Sekunde unter mir explodieren würde. Seine Ohren drehten sich aufgeregt hin und her. Er machte einen Schritt nach hinten, verlagerte sein Gewicht auf die Hinterhand. Zu spät, dachte ich und machte mich locker, um rechtzeitig abzuspringen. In diesem Moment verharrte Lucky. Wir beide sortierten uns neu. Ich entspannte meine verkrampften Beinmuskeln, nahm die Füße aus den Steigbügeln. Als Nächstes dehnte ich meine Wirbelsäule in die Höhe, setzte mich gleichmäßig auf meine Sitzhöcker. Das Pferd verlagerte sein Gewicht von der Hinterhand langsam in eine ausgewogene Balance. War es nur meine Anspannung gewesen, die sich auf Lucky übertragen hatte? Ich wusste, das Tier besaß seinen eigenen Kopf. Er war auf keinen Reiter angewiesen. Vielleicht empfand er einen Reiter sogar als lästig. Genau das gab mir die Sicherheit herauszufinden, ob mich ein Pferd wieder akzeptieren würde. Seltsame Gedanken, die ich niemandem hätte erklären können. Doch für mich funktionierte es.
Ich nahm die Zügel in die Hand, ließ sie aber locker in Höhe des Widerrists durchhängen. Ich steckte die Beine wieder in
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