Duke - Ein weiter Weg zurueck (German Edition)
Haus war groß, der Garten noch viel größer, also brauchte Julia eine Hauswirtschafterin. Papa schlug Mama vor, sich auf diese Stelle zu bewerben. Mama behauptete immer, das wäre Papas seltsame Art gewesen, ihr einen Heiratsantrag zu machen. Julia mochte Mama und stellte sie ein. Dann waren erst Henning und Thomas auf die Welt gekommen, und zuletzt ich.
Anfangs nahm Mama mich zu ihrer Arbeit mit, später waren wir Kinder meistens auf dem Hof. Dort durften wir toben, spielen, laut sein und uns nach Herzenslust dreckig machen. Wir waren die einzigen Kinder im Umkreis, und keiner brachte uns in einen Kindergarten. Das änderte sich erst, als Henning eingeschult wurde. Ich verzog das Gesicht, als ich an mein erstes Jahr in der Schule dachte, denn mir war die Umstellung besonders schwergefallen. Zum Glück gab es Henning und vor allem Thomas, die mir halfen, mich einzugewöhnen. Wirklich einsam fühlte ich mich, als beide auf das städtische Gymnasium wechselten. Meine Noten reichten nur für die Hauptschule.
Nach und nach nahmen die Pferde in meinem Leben einen immer größeren Platz ein. Das füllte die Lücke aus, die durch das Auseinanderdriften unseres Dreiergestirns entstanden war. Papa hatte uns allen das Reiten beigebracht. Henning fühlte sich wohler auf einem Traktor oder noch besser, wenn es galt, diese Geräte zu reparieren. Für Thomas war Reiten endlich mal etwas, wo er besser war als sein Bruder. Einen Teil seiner Motivation bezog er daraus, einen anderen Teil aus dem Interesse, das Erich an seinen Reitkünsten fand. Sein Vater förderte dieses Hobby in jeder Hinsicht. Ich hingegen fand Pferde faszinierend. Ihre Schönheit, die Stärke, die Bewegungen, die Art, wie sie im Herdenverband agierten. Die Tatsache, dass sie bereit waren, einen Menschen zu tragen, hatte es mir ganz besonders angetan. Manche Reiter denken, dass Pferde zu dumm seien, sich ihrer Kraft gar nicht bewusst wären oder einfach dominiert werden mochten. Ich betrachtete es hingegen als ein Geschenk, eine Art Ehre, dass sie mich trugen.
Meine Gedanken brachten mich in eine Richtung, über die ich nicht weiter nachdenken wollte. Fröstelnd schlang ich die Arme um mich und wandte dem Bild den Rücken zu, das so viele Erinnerungen in mir geweckt hatte.
4
Die Klingel befreite mich von meinen Gedanken. Froh um die Störung ging ich zur Haustür und blieb davor stehen. Was sollte ich machen, wenn es jemand vom Stall war?
Ungeduldig klingelte es zweimal hintereinander. Ich wappnete mich innerlich und machte die Tür auf. Vor mir stand Henning. Mit strubbeligen, von der Sonne ausgebleichten blonden Haaren, ein breites Grinsen im Gesicht, das um seine braunen Augen herum in lauter Fältchen endete. Er war die zwei Stufen vor der Haustür bereits wieder hinuntergegangen, sodass ich auf ihn herabsehen musste.
„Henning?“, rief ich überrascht aus.
„Ich denke, so heiße ich“, antwortete er grinsend.
„Aber was machst du hier? Ich meine, ich dachte du wärst in Kanada?“
„Tja, so kann man sich täuschen, nicht wahr.“ Er ließ seine Augen über mich wandern. „Du hast zugenommen. Und kräftiger siehst du auch aus. Schön.“
Ich sah mich an. Ja, er hatte Recht, das letzte Mal hatten wir uns gesehen, als ich noch in der Reha gewesen war. Meine körperliche Verfassung war erbärmlich gewesen und es hatte nichts auf der Welt gegeben, was mich in jenen ersten Tagen hätte motivieren können, daran etwas zu ändern. Bis Henning irgendwann aufgetaucht war und mir die Leviten gelesen hatte. Er wurde in den nächsten Wochen mein schlimmster Folterknecht. Und so sehr ich ihn dafür hasste, so schmerzlich hatte ich ihn vermisst, als er einige Zeit später wieder nach Kanada gegangen war. Doch auch von dort aus hatte er weiterhin jeden Tag angerufen und meine Fortschritte kontrolliert. Wenn ich seine Anrufe ignorierte, fragte er bei meinen Eltern nach. Woraufhin Papa meistens kurze Zeit später besorgt auftauchte. Also gewöhnte ich mir an, Hennings Kontrollwut mit Spott zu begegnen. Dann war ich abgehauen.
Das schlechte Gewissen, dass ich zwei Jahre lang keinen Versuch gemacht hatte, mich bei ihm zu melden, verunsicherte mich. Es war gemein gewesen von mir, nachdem er mir so sehr geholfen hatte, die schlimmste Zeit meines Lebens zu überstehen. Mein erster Impuls, ihn zu umarmen, schlug um, und ich hielt mich verlegen an der Haustür fest. Ich war mir nicht sicher, wie sehr ich ihn mit meiner Ignoranz verletzt hatte.
„Wir haben uns
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