Duke - Ein weiter Weg zurueck (German Edition)
von dir.“
Eine dreiviertel Stunde später war ich im Krankenhaus. Henning hatte mich bis zur Intensivstation begleitet und sich dann verabschiedet. Ich klingelte an der Tür und wartete mit klopfendem Herzen.
Der Vorraum war sehr hell. Eine Sitzgarnitur mit einladenden Stühlen, auf dem Tisch lagen Zettel, mit denen die Angehörigen über das Verhalten auf einer Intensivstation informiert wurden. An den Wänden hingen schöne Bilder. Trotzdem empfand ich den Raum als beklemmend. Es knackte in der Sprechanlage.
„Ja, bitte?“
Ich musste mich räuspern. „Vera Kamphoven. Ich glaube, mein Vater, Stefan Kamphoven, liegt bei Ihnen.“ Es knackte erneut, und für den Bruchteil einer Sekunde hoffte ich, dass die Stimme mir sagen würde, dass das nicht der Fall sei.
„Warten Sie bitte, jemand holt Sie gleich ab.“
Es verstrichen zehn Minuten, bis sich eine Art metallene Schiebetür öffnete. Eine ältere Frau in einem Schwesternkleid kam heraus, auf ihrer Brust ein Schild: Schwester Brigitte. Sie lächelte mich freundlich an.
„Kommen Sie, Frau Kamphoven.“ Ich folgte ihrer Aufforderung. Sie deutete nach links. „Bitte waschen Sie sich die Hände und desinfizieren Sie sich danach. Wir möchten ja die Patienten nicht unnötig mit Keimen belasten.“ Ich nickte stumm, und meine Beklemmung wuchs. Das alles erinnerte mich an eine Zeit, wo ich selbst auf so einer Station gelegen hatte.
Die Zimmertüren standen offen. Ich vermied den Blick in die belegten Zimmer und konzentrierte mich auf den Gang. Dann blieb sie vor einem Raum stehen.
„Ihre Mutter ist gerade bei dem Stationsarzt, aber ich denke, sie wird auch gleich kommen.“ Dann ließ sie mich alleine.
Ich sah in den Raum und hielt mich mit der Hand am Türrahmen fest. Mein Vater wendete den Kopf, ganz langsam. Seine Augen waren halb geschlossen. Als sein Blick mich traf, öffneten sie sich ganz. Große helle, unglaublich blaue Augen. Ich schluckte und war froh, dass ich mich bei Henning ausgeheult hatte, spätestens jetzt wäre ich sonst zusammengeklappt. Das Gesicht glättete sich für einen kurzen Augenblick, die Mundwinkel gingen nach oben. Schnell machte ich die zwei Schritte bis zum Bett, setzte mich auf den Rand und ergriff seine Hand.
„Hallo, Papa“, flüsterte ich, „was machst du denn für Sachen.“
„Quatsch mach ich.“ Seine Stimme knisterte und klang brüchig. „Ich hab Durst.“ Mein Blick schweifte durch das Zimmer. Ich konnte keinen Becher entdecken.
„Ich frage schnell die Schwester.“
Unmerklich drückte er meine Hand. „Nein, bleib. Dass du hier bist, ist so schön.“ Seine Augen schlossen sich. Der Atem ging flach und schwer. Um uns herum malten Computer Kurven auf Monitore. Eine Zahl blinkte wild. Panik ergriff mich, dann sah ich, dass eine Klammer mit einem Kabel auf der Decke lag. Ich wusste von meiner eigenen Zeit auf der Intensivstation, dass diese Klammer auf irgendeinen Finger musste, doch auf welchen?
Schwester Brigitte kam herein. Sie befestigte die Klammer wieder am Mittelfinger, dann reichte sie mir eine schmale Packung. „Wenn er Durst hat, können Sie ihm das Stäbchen geben.“
„Kann er denn kein Wasser haben?“ Ich flüsterte unwillkürlich.
„Nein. Er soll um sieben Uhr in den OP.“
„Es wird operiert?“
Sie nickte. Es piepte auf dem Flur. „Ihre Mutter wird Ihnen das gleich erklären.“ Sie verschwand.
Ich streichelte meinen Vater, küsste ihm die Stirn. Er machte die Augen auf.
„Hmm, da ist meine Tochter nach so langer Zeit bei mir, und was mache ich dummer Kerl. Schlafen. Erzähl mir was, Vera“, bat er mich.
Mein Kopf war vollkommen leer, mir fiel nichts ein. Krampfhaft suchte ich nach irgendeiner Geschichte.
„Ich hab heute mit Henning den Zaun auf der Talwiese in Ordnung gebracht.“ Es war das Einzige, was mir spontan in den Sinn gekommen war. Stefan hob seinen Kopf leicht, drehte ihn ganz zu mir, legte ihn wieder ab und sah mich mit seinen blauen Augen an.
„Du hast den Zaun gemacht?“
„Ja.“ Ich erzählte ihm, wie viele Pfosten wir gebraucht hatten und dass ich es Henning überlassen musste, sie in den Boden zu schlagen, weil ich zu schlapp gewesen war. Er hörte mir aufmerksam zu.
„Und das hat dir nichts ausgemacht?“, fragte er, als ich fertig war. Ich sah ihn an. Hatte es mir etwas ausgemacht? Nein. Im Grunde genommen war es ein schöner Tag gewesen. Bevor ich ihm eine Antwort geben konnte, kam Mama ins Zimmer. Sie ging zu Stefan und gab ihm einen Kuss auf
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