Duke - Ein weiter Weg zurueck (German Edition)
Schwester Brigitte wieder auf die Intensivstation.
„Ihre Eltern hängen sehr aneinander.“
„Ja, sie schafft es einfach nicht, ihn so hilflos zu sehen. Das macht sie fertig.“
„Ich bin froh, dass Sie alleine dableiben. Er war sehr ruhig vorhin, als Sie da waren.“
„Aber Sie waren doch gar nicht im Raum.“
„Nein, aber ich habe die Computerauswertungen gesehen.“
Vor dem Raum verabschiedete sie sich von mir. Ich ging hinein und setzte mich an den Bettrand. Papa schlief, doch sein Atem ging sehr unruhig. Seine Hände waren faltig und abgearbeitet. Die Haut schimmert bläulich. Die Brust hob und senkte sich schwerfällig. Ich betrachtet sein Gesicht, das im Schlaf knochig wirkte. Wann war mein Vater so alt geworden, fragte ich mich verwundert. In meinen Erinnerungen war er immer stark gewesen. Streng, aber voller Liebe für mich. War ich es gewesen, die mit meinem Fortgang das alles verursacht hatte? Ich streichelte meinen Vater. Fly war nicht nur mein Traum gewesen. Auch Stefan hatte auf den Turnieren jede Minute mitgezittert. Und dann hatte er die Entscheidung getroffen, ein weiteres Pferd aus dem gleichen Hengst zu ziehen, wieder mit Nobless als Mutter. Duke, wieder ein Hengst, er musste jetzt etwa sieben Jahre alt sein.
„Weißt du, Papa, wenn du erst mal wieder gesund bist, dann werde ich noch ein Weilchen bleiben, das verspreche ich dir.“
Er öffnete die Augen.
„Vera?“
„Ja, Papa. Ich bin hier.“
„Marianne?“
„Sie ist nach Haus gefahren. Aber du kannst mir glauben, sie denkt jede Sekunde an dich.“
„Ich weiß, das macht mir ja so viel Kummer. Sie ist nicht so stark wie wir. Erzähl mir was“, forderte er mich nach einer Weile auf, „das vertreibt mir die Angst vor diesem blöden Eingriff.“
„Wovon soll ich dir erzählen?“
„Na, zum Beispiel, was du die letzten Jahre getrieben hast.“
Während ich seine Hand streichelte, erzählte ich ihm von mir. Schilderte ihm die Länder und Orte, wo ich gewesen war. Beschrieb das Essen, die Natur, andere Kulturen und berichtete über meine Jobs in den verschiedenen Hotels. Er hörte mir aufmerksam zu. Manchmal döste er ein, doch immer wieder wachte er auf.
„Weißt du eigentlich, dass Mama und ich immer mal vorhatten, eine Weltreise zu machen?“, warf er in einer Pause ein.
Ich sah ihn erstaunt an und schüttelte den Kopf. „Du und Mama? Ihr wart doch noch nie im Urlaub.“
Er lachte und bekam ein Hustenanfall. „Stimmt. Trotzdem kann man doch Träumen, nicht wahr.“
Es klopfte am Türrahmen.
„Vorsichtig mit dem Lachen, Herr Kamphoven.“ Eine Frau stand im Rahmen. Die dunklen Haare waren kurz geschnitten, sie trug eine Brille. Sie kam in den Raum und reicht mir die Hand.
„Dr. Schneider, ich bin die Anästhesistin und versetze Ihren Vater jetzt in einen schönen Dornröschenschlaf.“
„Bloß nicht, ich hab keine Prinzessin zur Hand, die Papa wachküssen kann.“
Wir lachten alle. Der Herzschlag meines Vaters beschleunigte sich.
„Schlimm, diese Geräte, man kann nichts verbergen.“
„Machen Sie sich keine Gedanken, Herr Kamphoven. Es ist ganz normal, dass Sie nervös sind.“
Während die Anästhesistin Papa vorbereitete, lenkte ich ihn ab, indem ich ihn animierte, von der geplanten Weltreise zu erzählen. Ich fragte nach den Ländern, die ihn am meisten interessierten. Nach und nach wurde seine Stimme leiser. Schließlich war er eingeschlafen. Ich schwieg.
„Sie haben das sehr gut gemacht, Frau Kamphoven.“
„Dabei habe ich mehr Angst um ihn, als er glaubt.“
„Ihr Vater ist stark, auch wenn Ihnen das jetzt im Moment vielleicht nicht so vorkommt. Abgesehen von seinem Herz, die anderen Werte sind im grünen Bereich.“
„Seltsam, ich habe nie gemerkt, dass er Herzprobleme hat.“
„Ja, das passiert manchmal ganz unerwartet. Sie kennen doch die Rede von ‚Herzensleid’, in solchen Redensarten steckt immer auch ein Stückchen Wahrheit. So, nun müssen Sie gehen.“
Ich zögerte. Ihre Worte hatten mich betroffen gemacht.
„Ich verspreche Ihnen, ich passe gut auf Ihren Vater auf“, fügte Dr. Schneider hinzu, als sie mein Zögern bemerkte.
Ich ging auf den Gang. Die Kollegin von Schwester Brigitte sprach mich an.
„Meine Kollegin hat mir gesagt, dass ich Sie informieren soll, wenn Ihr Vater die OP überstanden hat. Geben Sie mir eine Handynummer?“
Ich sah sie verwirrt an. „Handy? Nein, so was besitze ich nicht.“
„01724566738.“
Das Gesicht der Schwester verfinsterte
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