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Duke - Ein weiter Weg zurueck (German Edition)

Duke - Ein weiter Weg zurueck (German Edition)

Titel: Duke - Ein weiter Weg zurueck (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Rachfahl
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Bedürfnis in mir, stärker als jede Angst. Jetzt sah ich zu dem Pferd. Langsam hob ich die Hand und verharrte. Mehr als zwei Jahre hatten meine Hände kein Pferd mehr gespürt, jetzt berührte ich vorsichtig seine Stirn. Das Pferd schloss kurz die Augen, dann hob es den Kopf und wich wieder zwei, drei Schritte zurück. Die Distanz half mir. Ich drängte die Bilder mit aller Kraft zurück. Schwerfällig erhob ich mich. Ich brauchte mehr Distanz zwischen mir und dem Pferd. Ich ging zu Henning, der mit dem Rücken am Wagen lehnte. Er griff in die Hosentasche und reichte mir ein Stofftaschentuch.
    „Dr. Brenner müsste gleich da sein. Wie sieht es aus?“ Er flüsterte.
    Ich zuckte mit den Achseln. „Es entlastet das linke Vorderbein. Der Draht steckte richtig tief im Fleisch.“ Ich schreckte vor meiner eigenen Stimme zurück. Sie klang rau und fremd. „Ich weiß es nicht. Ich bin kein Tierarzt.“ Diesmal war ich es, die flüsterte.
    Ich lehnte mich erschöpft an das Auto. Henning hatte beide Hände in den Hosentaschen vergraben. Wir schwiegen. Das Pferd stand auf der Wiese, die Augen halb geschlossen, als würde es dösen. War es Erschöpfung, oder hatte es aufgegeben? In mir war es leer. Meine Augen verharrten auf dem Tier, ohne es wirklich zu sehen. All meine Kraft war aufgebraucht.
    Ein Auto kam den Weg herunter. In den Körper des Pferdes kam wieder Spannung. Die Augen folgten den Geschehnissen auf dem Weg, die Ohren waren aufmerksam nach vorne gerichtet. Ich hörte geflüsterte Worte, den Sinn erfasste ich nicht. Eine Hand berührte meine Schulter. Ich zuckte zusammen. Henning stand neben mir.
    „Du musst ihm die Spritze geben.“
    Ich starrte auf die Spritze in seiner Hand.
    „Hallo, Vera“, sagte Dr. Brenner.
    Ich sah Dr. Brenner an, der hinter Henning stand. Er war schon seit Jahren der Tierarzt auf dem Sanderhof.
    „Du brauchst es nur unter die Haut spritzen. Ganz einfach. Reine Routine für dich, so was verlernt man nicht“, sagte er beruhigend.
    Vermutlich sah ich genauso fertig aus, wie ich mich fühlte. Ich schüttelte den Kopf. Das alles war nahe genug gewesen. Ich war schon viel zu weit gegangen. Mehr Kraft hatte ich nicht. Dr. Brenner musterte mich, dann nahm er die Spritze aus der Hand von Henning. Er ging langsam auf das Pferd zu. Ich konnte sehen, wie sich die Nüstern blähten. Die Ohren zuckten, der Schweif schlug. Dr. Brenner blieb stehen. Ich spürte einen Kloß in meinem Hals. Henning packte mich an den Schultern und drehte mich zu sich um. Sein Griff war fest, er tat mir weh. Seine Augen waren schmal, der Mund ein Strich.
    „Du nimmst jetzt diese verdammte Spritze und gibst sie Duke. Verstanden?“ Seine Stimme war leise, kalt.
    „Duke?“ Ich hatte das Gefühl, das Wort hallte in meinem Kopf nach. Mein Blick wanderte zu dem verletzten Tier. Es war Duke. Mir blieb der Atem weg. Duke war das zweite Fohlen, das Papa aus Nobless und Regent gezogen hatte. Duke war Papas Traum.
    Ich befreite mich aus Hennings Griff. Es war, als gäbe es auf einmal zwei Personen in mir. Die eine verkroch sich weinend, während die andere auf Dr. Brenner zuging, der immer noch an der gleichen Stelle verharrte. Das war zu viel für Duke. Auf drei Beinen und mit hängendem Kopf hüpfte er weg. Er schrie nicht. Er jaulte nicht. Er weinte nicht. Der Anblick zerschnitt mir das Herz. In mir schrie die andere Person, doch ich brachte sie brutal zum Schweigen. Ich fokussierte mein ganzes Handeln auf diese eine Aufgabe. Ich nahm die Spritze aus der Hand des Tierarztes. Henning zog Dr. Brenner zum Auto zurück.
    Duke blieb stehen, sein Blick richtete sich auf mich. Ich senkte meinen Blick, starrte auf das junge Gras, das sich seinen Weg aus der schwarzen Erde bahnte. Verstand er, dass ich ihm helfen wollte? Ich hoffte es inständig. In meinen Ohren erklang die Melodie meines Liedes. War ich es, die sang? Duke erkannte es. Er kannte meine Stimme. Er kannte meinen Geruch. Ich war bei seiner Geburt dabei gewesen. Mit Nobless zusammen hatte ich seinen Körper trocken gerubbelt. Sein Körper war so zart gewesen. Sein Fell ganz lockig. Ich hatte ihn an den Sattel gewöhnt, ihm das Tragen eines Reiters beigebracht. Seine ersten Sprünge machte er mit mir. Er war nicht so eigensinnig wie Fly, war aber genauso flink und wendig wie dieser. Sein Körper war athletisch, wie der seines Bruders, doch in seinem Charakter glich er ganz seiner Mutter. Mit einem unglaublichen Vertrauen in den Menschen. Und nun stand er da vor mir,

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