Duke - Ein weiter Weg zurueck (German Edition)
Körper.
„Mist“, fluchte Henning.
Er verlangsamte das Tempo. Wir kamen gerade aus dem Wald heraus, da passierte es. Das Pferd wich zur Seite aus, um uns zu entkommen. Es bemerkte den Stacheldraht nicht und preschte in vollem Galopp in den Zaun hinein. Bevor es zum Stehen kam, hatte es bereits zwei Pfähle aus dem Boden gerissen. Es war sein Glück, dass die Pfosten nachgaben. Schweißgebadet, am ganzen Körper zitternd, blieb das Tier stehen. Mich erstaunte die Reaktion, da sie gegen seinen Fluchtinstinkt ging.
Ohne weiter nachzudenken, sprang ich aus dem Fahrzeug, obwohl es noch am Rollen war. Ich bremste ab, als ich sah, wie das Pferd die Augen nach oben schob, nackte Panik im Gesicht. Die Welt um mich herum blieb stehen. Meine ganzen Gedanken konzentrierten sich auf das Pferd. Nichts außer uns beiden existierte mehr. Mein Atem ging hektisch und schnell. Ich atmete tief durch, bis ich merkte, wie mein Herz langsamer schlug.
Mein Blick ruhte auf dem Pferd, ich nahm seine Haltung in mich auf. Die Ohren, die Augen, den Schweif, die Nüstern, die Lippen, den Hals, die Position der Beine, jedes Haar. Schaum bildete sich an der Brust, und aus dem Maul tropften rosafarbene Flocken. Es sah mich an. Ich senkte den Blick, vermied jeden direkten Augenkontakt und wendete mich ganz langsam mit meinem Körper ab. So verharrte ich, bis ich spürte, wie hinter mir die Spannung einer Verwirrung wich. Das war meine Art ihm zu sagen: „Ich verstehe dich. Ich tue dir nichts. Ich respektiere dich. Ich kenne deine Sprache.“ Und es verstand. Ich schloss meine Augen, ich sah jetzt mehr ohne sie. Bewusst ließ ich meinen Atem langsam durch meinen Körper fließen. Ruhe war jetzt das Einzige, was dem Tier helfen würde. Auf keinen Fall durfte ich es erschrecken. Was passiert war, war passiert. Nichts davon konnte ich rückgängig machen. Aber ich konnte helfen, dass sich die Situation nicht verschlimmerte.
Ich öffnete die Augen wieder, drehte ganz vorsichtig meinen Körper seitlich zum Pferd, blieb aber weiterhin in einer passiven Stellung. Ich musste sehen, in welcher Situation sich das Tier befand.
Der Großteil des Zauns lag auf der Erde. Der untere Stacheldraht war auf Spannung, der obere war gerissen. Ich suchte den Grund für die Spannung und fand ihn in der linken Vorderhand des Pferdes. Durch die Drehung hatte sich die Vorderhand in den Draht gewickelt, der jetzt in die Fessel schnitt. Ich musste den Draht durchschneiden. Aber womit? Meine Hände tasteten die Hosentaschen ab. Leer. Mein Blick suchte den Boden ab. Nichts. Wenn ich es schaffen würde, dass das Pferd seitlich ging, hätte ich vielleicht die Chance, die Spannung zu verringern. Und was dann? Wie sollte ich so viel Vertrauen gewinnen, um die Schlinge lösen und den Draht aus dem Fleisch ziehen zu können, was unausweichlich mit Schmerzen verbunden sein würde. Verzweiflung macht sich in mir breit.
Ich merkte, wie das Pferd wieder unruhig wurde. Es grummelte wie ein Bär. Die Ohren zuckten hin und her. Es wich zurück, blieb aber stehen, als der Draht stärker in das Fleisch schnitt. Ich spürte, wie mir eine Hand etwas in die hintere Hosentasche schob. Ich drehte vorsichtig den Kopf und sah im Augenwinkel gerade noch, wie Henning wieder zurück zum Auto schlich. Ich zog das längliche Teil aus der Hosentasche. Ein Taschenmesser. Genau das, was ich brauchte. Ganz langsam bewegte ich mich zu dem umgefallenen Pfosten, weg von dem Tier. Ich spürte, wie sein Blick mir folgte. Es war ein kluges Pferd, das sich nicht allein von seinen Instinkten, dem Geruch von Blut, von Schmerz, Gefahr oder Fluchtimpulsen leiten ließ. Es war ein Wunder, dass es noch immer dastand, und das machte mir Hoffnung. Mit dem Messer löste ich den unteren Draht vom Pfosten. Das war keine leichte Aufgabe, doch zum Glück war das Messer scharf. Die Spannung ließ nach.
Ich hielt die Luft an, jetzt kam ein ganz kritischer Moment. Würde das Pferd erneut die Flucht ergreifen, nachdem die Spannung am Vorderfuß nachließ? Ich drehte mich langsam um. Die Nüstern blähten sich gleichmäßig auf, die Ohren drehten sich, durch den Körper lief ein Zittern. Es verlagerte sein Gewicht ein wenig auf die Hinterhand, bereit für einen Satz weg von mir. Ich ging in die Hocke, verfolgte mit den Augen den Draht. Die Schlinge war immer noch um das Fesselgelenk des Pferdes gewickelt. Ganz langsam folgte ich dem Draht auf dem Boden, immer darauf bedacht, mit meinen Bewegungen und der Körperhaltung ein
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