Duke - Ein weiter Weg zurueck (German Edition)
zusammengerollte, wie ein Kind im Mutterleib, war ich auf meinem Bett eingeschlafen.
„Ja. Komm ruhig rein.“ Gähnend richtete ich mich im Bett auf.
Marianne kam herein und setzte sich zu mir auf das Bett.
„Wie war es bei Papa?“, erkundigte ich mich vorsichtig. Ich hoffte inständig, dass Thomas meiner Aufforderung widerstanden hatte und dem Krankenhaus ferngeblieben war.
„Besser, viel besser, er wird schon langsam frech“, lachte Mama leise. „Sie haben gesagt, dass er bald in die Reha kommt, zum Glück ist das in Bad Waldliesborn, also fast um die Ecke.“ Ihre Stirn legte sich in Falten, und trotz ihres Lachens spürte ich ihre Unsicherheit.
„Er ist ein starker Mensch.“
„Nein, ist er nicht“, stellte sie ruhig fest. „Es tut ihm gut, dass du da bist. Es gibt ihm Kraft.“ Sie stockte und musterte mich eindringlich. „ Alles klar bei dir?“ Mit der Hand strich sie mir das Haar aus dem Gesicht, klemmte es rechts und links hinter meine Ohren. Ich widerstand dem Bedürfnis, meine Haare wieder zu befreien.
„Nein. Thomas war hier.“ Verheimlichen brachte gar nichts, spätestens am nächsten Tag würde Julia Mama auf das unmögliche Benehmen von mir ansprechen. Außer Thomas erzählte zu Hause nichts. Aber ich fand es besser, dass Mama meine Version der Geschichte hörte, bevor sie womöglich von anderen davon erfuhr.
„Oh. Ich wusste gar nicht, dass er schon heute zurückkommt.“ Mama richtete sich auf. „Was wollte er?“
„Er hat seinen Trainer gesucht, und ich habe ihm erzählt, dass Henning ihn gefeuert hat.“
Mama strich ihren Rock glatt und entfernte ein paar imaginäre Fusseln. „Und, wusste er schon davon?“
Ich schüttelte den Kopf.
Sie seufzte. „Darüber war er bestimmt nicht erfreut.“
„Mama, stimmt es eigentlich, dass Thomas und Henning wegen Papa Streit haben?“
Sie sah mich aufmerksam an. „Wer hat das gesagt?“
„Bettina. Neulich, als sie wegen der Buchhaltung da war.“
„Bettina, deine ehemalige Freundin?“
Ich nickte.
„Die muss auch immer etwas zum Tratschen haben.“ Sie wich mir aus, ich spürte das.
„Du hast mir meine Frage nicht beantwortet“, bohrte ich nach.
„Nein, habe ich nicht, das stimmt.“ Sie schwieg, und ich ließ ihr Zeit. Dann nahm sie meine Hand und sah mich an. „Weißt du, Vera, ich hatte in den letzten Tagen viel Zeit zum Nachdenken. Damals, mit deinem Unfall, da ist vieles kaputt gegangen. Als wir in der Klinik um dich bangten, hat Papa tagelang kein Wort mit mir geredet. Ich dachte, ich werde wahnsinnig.“
Sie machte eine Pause, und Tränen liefen ihr die Wange hinab. Mit der freien Hand wischte sie sie weg. „Als du dann wach wurdest, da redete er wieder mit mir, aber nicht mehr so wie früher, verstehst du, was ich meine?“
Nein, ich verstand nicht, doch mir war klar, dass ich Mama jetzt nicht mit Fragen unterbrechen durfte. „Und dann, nach deinem Fortgang, wieder Schweigen.“ Ich schloss kurz die Augen. So sehr hatte ich meine Eltern mit meinem Fortgang verletzt.
„Erst nachdem du dich gemeldet hast, sprach er wieder und ging seiner Arbeit auf dem Hof nach, die er in all der Zeit vernachlässigt hatte. Erich war damals nahe dran, ihn rauszuwerfen. Doch Henning setzte sich für ihn ein und redete mit Stefan. Papa riss sich zusammen, aber es war nicht mehr die gleiche Leidenschaft wie früher, mit der er seiner Arbeit nachging. Er hat allen Leuten, die Henning oder Thomas abwechselnd einstellten, das Leben schwergemacht. An manchen Tagen hätte ich ihn am liebsten genommen, angeschrien oder geschüttelt.“
Mama nahm ihre beiden Hände und rüttelte symbolisch die Luft. Dann schwieg sie, hing ihren Gedanken nach. Ich versuchte zu verarbeiten, was sie mir erzählt hatte. Das Einzige, was ich sehen konnte, waren meine Eltern, die Händchen haltend durch den Wald schlenderten. Abends vor dem Fernseher saßen und sich Filme ansahen. Oder Mama, wie sie Papa küsst. Ich überlegte, wie oft ich die beiden hatte streiten sehen. Mir fielen nur wenige Momente ein.
„Ja, Henning und Thomas streiten sich wegen Papa. Manchmal möchte ich am liebsten alles hinwerfen, ihn mir schnappen und abhauen.“ Die Stimme von Mama war nur noch ein Flüstern.
„Du, ausgerechnet du?“, rutschte es mir raus. Mama war immer die Bremse in unserer Familie gewesen. Sie sah mich an.
„Ja, ausgerechnet ich. Aber weißt du, ich wusste nicht, ob ich ihn dann ganz verliere, wenn ich ihn hier von den Pferden und ganz besonders von
Weitere Kostenlose Bücher