Duke - Ein weiter Weg zurueck (German Edition)
tastete alle Beine ab und kontrollierte den Verband, der noch gut saß. Aus der Sattelkammer holte ich ein Mähnenspray und begann mit dem Auseinanderwurschteln der Strähnen, nachdem ich die Mähne schön feucht eingesprüht hatte. Es war eine Arbeit, die Duke nicht leiden konnte. Immer wieder entzog er mir den Hals. Oder er schüttelte sich wie ein Hund und alles war wieder durcheinander. Zweimal drehte er sich mit angelegten Ohren um und schnappte nach mir. Doch es war ein spielerisches Schnappen, nicht die Aggressivität, die er gegenüber Thomas gezeigt hatte. Überhaupt war er heute wie verwandelt, als wäre gestern alles nur ein böser Traum gewesen.
Als ich endlich fertig war mit Mähne und Schweif, brachte ich ihn zurück in die Box. Duke ging direkt in die Knie und wälzte sich ausgiebig in den Sägespänen. Dann stand er da, die Beine breit auseinander und schüttelte sich. Er sah mich mit seinen dunklen Augen an, als wollte er mir sagen: „So sehe ich schön aus.“ Ich musste lachen. „Ich fand es vorher besser“, antwortete ich ihm.
„Was fandest du vorher besser?“, fragte mich Lasse, der Lady abgesattelt hatte und in ihre Box brachte.
„Oh“, sagte ich, „Duke und ich sind unterschiedlicher Meinung, wie ein schönes Pferd aussieht. Ich finde es besser mit glatter, gekämmter Mähne, er findet es besser, wie er jetzt aussieht.“
Langsam näherte sich Lasse der Box. Ich sah ihn warnend an, aber er ließ sich nicht beirren. Tatsächlich blieb Duke ganz ruhig, auch als Lasse neben mir stand.
„Warum hat er nur gestern so reagiert?“ Nachdenklich betrachtete ich das Pferd.
„Vielleicht hat er mit Thomas schon mal schlechte Erfahrungen gemacht?“
„Und das hat sich das Pferd gemerkt, es mit seinem Unfall in Verbindung gebracht und ihn angegriffen?“ Ich schüttelte den Kopf „Nein, ich halte viel von Pferden, aber das ist zu komplex.“
„So habe ich das nicht gemeint.“
„Wie denn?“
„Du weißt selbst, wie sensible Pferde auf Körpersignale reagieren. Ganz besonders dieser hier.“
„Was willst du mir damit sagen?“
„Denk mal nach, was du ihm gestern Abend mit deiner Haltung signalisiert hast.“
Er ließ mich eine Weile über seinen Worten brüten.
„Hast du dich schon entschieden, was du in Zukunft machst?“
Ich schüttelte den Kopf.
„Du weißt, dass das heute mein letzter Tag ist?“, stellte Lasse trocken fest.
Ich drehte mich zu ihm um. „Du kannst mich nicht alleine lassen.“
„Ich werde auf dem Birkenhof gebraucht.“
„Und jetzt? Wie soll es weitergehen?“
Er sah mich mit seinen blauen Augen freundlich lächelnd an.
„Und jetzt musst du dir überlegen, wie es weitergeht, Machst du weiter?“ Als ich nicht antwortete fuhr er fort. „ Melanie kommt mit Lady Star und Ginger Ale gut klar. Sie kann dir auch beim Longieren mit den Dreijährigen helfen. Außerdem ist die Stallarbeit kein Thema für sie, du hast ihr da in der letzten Zeit sowieso viel zu viel abgenommen. Aber Dumont, Dawinja und den Rest.“ Er schwieg.
Ich drehte mich wieder zu Duke um. Mit Duke zu arbeiten ging für mich in Ordnung. Er bedurfte vor allem Pflege und Bewegung, ohne dass ich zu reiten brauchte. Aber wieder ganz in meinen alten Job einsteigen? Nein, auf keinen Fall. Ich machte das alles schließlich nur für Papa. Das Gespräch von gestern mit Mama kam mir wieder in den Sinn. Und wenn meine Eltern entschieden, gar nicht mehr hierzubleiben? Konnte ich mir Papa ohne den Hof und die Pferde vorstellen? Und Mama ohne ihre Arbeit? Das Haus, in dem ich geboren und aufgewachsen war von fremden Menschen bewohnt? Ich hörte, wie Lasse auf seinem Handy tippte.
„Hallo, Henning, ich bin es, Lasse. Dein Bruder ist wieder da. Du weißt, was das heißt.“
Auf der anderen Seite redete Henning offenbar auf Lasse ein. Ich beobachtete das Gesicht meines ehemaligen Springlehrers. „Hm“, „Ja“, „Nein“, so ging es eine ganze Weile. Sein Blick richtete sich auf mich. Ich drehte mich um und ergriff die Flucht. Henning war der letzte mit dem ich im Moment reden wollte. Lasse erwischte mich, bevor ich aus seiner Reichweite entschwinden konnte. Er drückte mir das Telefon in die Hand. „Henning will mit dir sprechen.“ Widerstrebend nahm ich das Handy entgegen. Ich wusste noch nicht mal, ob Henning von meinem Streit mit seinem Bruder wusste.
„Ich brauche dich.“
Verdammt, er schaffte es immer mich an meinem wunden Punkt zu erwischen. Was konnte ich darauf noch entgegen.
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