Dumm gelaufen: Roman (German Edition)
dass wenige Nashornlängen entfernt ein Mann und ein Erdmännchen in aller Ruhe ihr Nachtlager errichten.
»Ray, bitte kommen. Hier Headquarter.« Rufus Stimme klingt so klar, als würde er direkt vor mir stehen. Ist die allerneueste Übertragungstechnik, hat er mir erklärt. Und die Signale werden deutlich besser verschlüsselt, als das bisher der Fall war. Sollten also die Amerikaner irgendwann auf die Idee kommen, Lauschangriffe auf in deutschen Zoos lebende Erdmännchen zu starten, werden sie wahrscheinlich auf Granit beißen.
»Hi, Rufus. Alles klar?«
»Hast du die Kamera in Position gebracht? Du weißt ja, dass sie …«
»… auf einen erhöhten Platz gestellt werden muss«, vollende ich den Satz. »Ja, das weiß ich, Rufus. Du hast es mir ein paar Millionen Mal erklärt. Außerdem soll ich darauf achten, dass die Kamera nicht zu nahe an einem Gebüsch steht, damit du sie per Fernbedienung problemlos schwenken kannst.«
»Ausgezeichnet«, sagt Rufus. »Wann machen wir einen Testlauf?«
Mein genialer Bruder. Kann es wieder nicht abwarten, mit seinem technischen Kram herumzuspielen. Ich wette, er hat uns nur bis an die Zähne verkabelt, um sein neues Equipment auszuprobieren.
»Ich habe gerade einen Sichtschutzwall gebaut und nebenbei eine Kuhle ausgehoben, in der Phil und ich es uns gleich bequem machen«, erkläre ich. »Jetzt muss ich erst mal dringend was essen. Phil hat sich mit dem Dorfpolizisten elefantenohrengroße Schnitzel reingepfiffen. Aber dass mir der Magen unter den Eiern hängt, davon redet keiner. Und ich kann von Glück sagen, wenn ich hier um diese Zeit überhaupt was Essbares finde.«
Wortlos greift Phil in seine Umhängetasche. Er zieht eine Dose hervor, die er mir zuwirft. Eine weitere Dose legt er auf die in der Kuhle ausgebreitete Decke und stellt eine Thermoskanne und eine kleine Flasche Scotch daneben.
»Proviant«, erklärt Phil, weil er sieht, dass ich angesichts der Dose in meinen Klauen immer noch ein fragendes Gesicht mache.
»Was sagt er?«, fragt Rufus.
»Sei mal kurz ruhig, Rufus. – Soll das etwa heißen, du hast daran gedacht, mir Futter mitzubringen, Phil?«
»Ich habe sogar daran gedacht, dir
Lebend
futter mitzubringen«, korrigiert Phil. »So ein Nachteinsatz kann ganz schön lange dauern.« Er rollt sich auf die Decke und streckt sich. Sieht gemütlich aus.
Ich bin gerührt. »Danke.«
Phil winkt ab und blickt in den Sternenhimmel.
Ein lautes Knistern und Rauschen zerreißt die Stille. Phil springt auf, greift in seine Tasche und zieht ein Walkie-Talkie hervor.
»Was war das?«, fragt Rufus besorgt.
Rasch dreht Phil das Gerät leiser. »Hallo?«
Wieder Knistern und Rauschen, diesmal deutlich leiser. »Hier ist das Headquarter. Ich bin es. Kliff Henger. Ich wollte nur mal fragen, ob alles ruhig ist.«
»Bis gerade war es hier sehr ruhig«, erwidert Phil.
»Das ist gut. Wenn irgendetwas ist, ich bin hier auf dem Posten. Over and out.«
Leises Knistern und Rauschen.
»Hey! Alles okay bei euch?«, fragt Rufus.
»Ja. Das war nur das zweite Headquarter«, erkläre ich. »Kliff Henger.«
»Wow«, erwidert Rufus. »Hab ich da gerade etwa ein Walkie-Talkie gehört?«
»Hast du.«
»Spitze. Warum nehmt ihr nicht gleich Flüstertüten oder Leuchtraketen? Oder ihr setzt euch ins Auto und lasst die Scheinwerfer an. Mörder, die Leichen entsorgen wollen, sind ja im Allgemeinen nicht sehr schreckhaft.«
Ich hab keine Lust auf eine derartige Diskussion mit Rufus. Wenn er nicht bald mit irgendwem Sex hat, sehe ich wirklich schwarz für ihn.
»Ich melde mich wieder, wenn die Kamera steht«, sage ich, drücke das Gespräch weg und lege mein Headset zur Seite. Hungrig greife ich nach meiner Proviantdose.
»Hallo? Ist da etwa jemand?« Pavel sieht kaum etwas, hören kann er aber ganz gut.
Ich seufze und lege meine Proviantdose beiseite.
»Ich rede mit ihm«, sage ich zu Phil und mache mich auf den Weg.
Pavel ist nicht unglücklich darüber, dass Phil und ich heute Nacht in Vertretung der hiesigen Polizei für die Sicherheit der umliegenden Äcker und Wiesen sorgen werden. Als ich ihm erkläre, dass die Leiche wahrscheinlich in Kürze abtransportiert wird, fällt dem Security-Maulwurf ein, dass er noch ein paar Vorräte im westlichen Teil seines Baus deponiert hat, die im Falle von Grabungsarbeiten in Mitleidenschaft gezogen werden könnten. Ich erkläre ihm, dass er sich heute um nichts mehr kümmern muss. Am Ende ist Pavel froh, seine Ruhe zu haben.
Dass
Weitere Kostenlose Bücher