Dumm gelaufen: Roman (German Edition)
ich endlich mal zur Ruhe komme, kann man nicht behaupten. Bevor ich wieder in die Nähe meiner Proviantdose komme, funkt Rufus mich an, weil er endlich die Kamera einrichten will. Ich tue ihm den Gefallen, da er sonst sowieso keine Ruhe gibt.
Als ich schließlich neben Phil in unserer Kuhle liege und meinen ersten Tausendfüßler knabbere, ist es mitten in der Nacht. Phil trinkt Kaffee und beobachtet den Sternenhimmel.
Eine Weile liegen wir einfach nur da, schauen in das über uns glitzernde Universum und schweigen. Nur das Zirpen der Grillen ist zu hören – und das gelegentliche leise Knacken eines Käfers, wenn ich ihn zerbeiße.
Nachdem ich den ersten Hunger gestillt habe, schließe ich meine Proviantdose und schiebe sie mir als Kopfkissen in den Nacken. Es ist noch genug da für einen Mitternachtssnack und ein kleines Frühstück.
»Woran denkst du?«, frage ich.
»Ich habe mich gerade gefragt, ob ich meinen Job mal für eine Weile an den Nagel hängen sollte. Nicht für immer, aber vielleicht für ein Jahr oder so. Nur, um auf andere Gedanken zu kommen. Einfach mal raus aus der Routine.«
Ich ahne, dass dieser Plan nicht von ungefähr kommt. Mein Tipp ist, dass Piroschka Nagy meinem Partner im Kopf herumspukt – und wahrscheinlich ist sie dabei äußerst spärlich bekleidet.
»Denkst du oft an sie?«, frage ich ins Blaue.
Phil sieht mich erstaunt an. »Wie kommst du darauf, dass ich von einer Auszeit bei Piroschka rede?«
»Tust du das etwa nicht?« Es ist neuerdings eine meiner therapeutischen Spezialitäten, Fragen mit Fragen zu beantworten.
»Doch …«, antwortet Phil zögerlich. »Ab und zu … ja … schon … ab und zu muss ich an sie denken.«
»Wünschst du dir, bei ihr zu sein?«
»Was stellst du mir für komische Fragen, Ray? Wenn man jemanden mag, dann verbringt man gerne Zeit mit ihm. Würdest du nicht auch gern bei Elsa sein?«
Binnen eines Lidschlags hat sich meine professionelle Distanz als Therapeut erledigt. Elsa. Allein der Name gibt mir einen Stich ins Herz.
»Woher …? Ich meine, wann habe ich dir von Elsa erzählt?«
»Wenn ich stundenlang auf dich warten muss, dann kann es schon mal sein, das ich mit jemandem aus deiner Familie ins Plaudern gerate …«
»Verstehe. Und da es in meiner Familie nur große Plaudertaschen gibt …«
»Bin ich ganz gut im Bilde«, sagt Phil. Und nach einer kurzen Pause fügt er hinzu: »Tut mir übrigens leid, diese Sache mit Barney.«
»Tja. So spielt die Liebe manchmal«, sage ich. »Man steckt nicht drin.«
»Wem sagst du das?«, erwidert Phil und nimmt einen großen Schluck Whiskey.
Wieder betrachten wir den Nachthimmel. Ich spüre, dass mich eine bleierne Müdigkeit überkommt. Noch bevor ich mich dagegen wehren kann, fallen mir die Augen zu.
Als ich erwache, ist es früher Morgen.
»Was ist passiert?«, frage ich erschrocken und schaue mich nach Xavers Grab um.
Phil sitzt neben mir. Er hat sich die Decke um die Schultern gelegt und sieht müde aus.
»Nichts ist passiert«, sagt er. »Niemand hat versucht, die Leiche auszugraben.«
»Dann ist Giuseppe doch unschuldig?«, frage ich.
»Entweder das, oder wir haben etwas übersehen. Ich zermartere mir schon seit Stunden den Kopf darüber, was es sein könnte. Aber ich habe nicht die geringste Idee.«
»Vielleicht hat er geahnt, dass wir bluffen.«
»Und jetzt wartet er seelenruhig ab, bis die Leiche geborgen wird? Giuseppe muss befürchten, dass doch noch Spuren gefunden werden, die ihn als Mörder identifizieren. Das ist ein sehr riskantes Spiel.«
»Was, wenn er abgehauen ist?«, frage ich. »Er geht auf Nummer Sicher.«
»Und verzichtet auf einen großen Batzen Geld?«, erwidert Phil. »Nachdem er dafür sogar einen Mord begangen hat? Glaub ich nicht.«
Ich überlege. Bevor ich einen Gedanken fassen kann, zuckt Phil plötzlich zusammen.
»Verdammt! Dass ich daran nicht gedacht habe!«, ruft er, rafft in Windeseile die Reste unseres Nachtlagers zusammen und ist auch schon auf dem Weg zu seinem Volvo.
Ich husche hinterher. Keine Fragen jetzt. Ich weiß, wenn Phil ein solches Tempo vorlegt, dann geht es um Leben und Tod.
Kapitel 18
Eine Staubwolke hinter sich herziehend, jagt Phils Volvo über den mit Schlaglöchern gepflasterten Feldweg zum Uckermarkschen Gestüt.
»Was ist denn da los bei euch?«, höre ich Rufus fragen. Erst jetzt stelle ich fest, dass ich die Nacht mit meinem Headset auf dem Kopf verbracht habe.
»Was soll los sein?«, versuche ich ihn
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