Dummendorf - Roman
schlage sie, Vater! Aber es nützt alles nichts!«
Die Woche war bis auf die täglichen Szenen der beleidigten Klawdija vergleichsweise friedlich verlaufen. Der Rentner Gawrilow hatte heimlich seinen ersten anonymen Brief an das Bistum geschrieben und abgeschickt und war mit dem Stil sehr zufrieden.
Die Denunziation schilderte in groben Zügen die Geschichte von Ljubka und Kostja; hyperkorrekt, wenn auch höhnisch, wies Gawrilow darauf hin, dass Schutzgewährung für eine Sünderin und einen entlaufenen Räuber unvereinbar sei mit Vater Konstantins Rang.
Der Februar ging zu Ende, und die Luft roch nun richtig nach Frühling. Eines Morgens schaute Vater Konstantin aus dem Fenster und entdeckte die ersten Krähen. Sie stolzierten auf dem aufgetauten Fleck vor der Pforte umher und flogen widerwillig auf, als die zerzauste Ljubka in den Hof gerannt kam.
»Ich kann nicht mehr!«, rief sie auf der Schwelle. »Rette sich, wer kann!«
»Wie?«
»Sag jetzt bloß nicht, dass man dulden muss! Ich habe geduldet, soviel ich konnte. Aber jetzt – Schluss, aus!«
»Klappt es nicht mit Kostja?«
»Wieso mit Kostja? Ich bin in Not. Ich brauche was zu trinken. Sonst krepier ich. Kein Witz.«
»Ljuba …«
»Spar dir den Schmus! Erzähl mir noch, dass Kostja meine letzte Hoffnung ist, dass sie ihn mir wieder wegnehmen, wenn ich nicht durchhalte, und dass ich in der Gosse verrecken werde! Ich weiß! Zum Teufel! Ich brauch was zu trinken. Kapierst du das oder nicht?«
»Aber du bist doch auch seine letzte Hoffnung.«
»Ich weiß«, antwortete Ljubka etwas leiser. »Aber was soll ich machen? Ich gehe so oder so.«
»Wohin?«
»Vielleicht ins Sägewerk. Die Tadschiken sind gute Menschen. Und sie geben mir Schnaps.«
»Also, brauchst du nun die Männer oder was zu trinken?«
»Was wollt ihr von mir!«, fauchte Ljubka. »Wenn ich Geld hätte, würde ich mich ganz kultiviert zu Hause auskurieren, wie ein zivilisierter Mensch. Meinst du, ich trinke zum Spaß? Mein Inneres revoltiert. Gegen den Kopf. Ich sehe alles ein – aber ich kann nicht mehr.«
»Könntest du das wirklich, ganz allein? Ohne Gesellschaft?«
»Aber klar. Ich bin doch Alkoholikerin!«
»Na gut, Ljuba. Ich kaufe dir was, wenn das so ist. Und Kostja nehme ich für eine Weile zu mir. Wenn es dir besser geht, holst du ihn wieder ab.«
»Du? Mir?« Ljubka lächelte ungläubig. »Na, du hast was drauf, Heiligkeit! Das hätte ich nicht gedacht!«
»Aber nur unter der Bedingung, dass du wirklich nirgendwohin gehst.«
»Nein, nein! Du kannst mich ruhig einschließen, wenn du mir nicht traust!«
So begann ein merkwürdiges Leben, fragil wie ein Kartenhaus. Eine Woche lang hatten Ljubka und ihr Sohn fast wie eine normale Familie gelebt. Sie hatten die Haufen im Haus beseitigt und versucht, einen halbwegs normalen Alltag zu bewältigen.
Dann war Ljubka wie von der Tarantel gestochen zu Vater Konstantin gelaufen, der war wortlos in den Laden gegangen, und sie hatte sich für ein paar Tage in ihrer Hütte eingeschlossen. Und Kostja, der nun nichts mehr verwüstete, war in die Hütte bei der Kirche gezogen.
Nach einer Weile war Ljubkas Krise vorbei, und schuldbewusst hicksend holte sie ihren Sohn wieder zu sich.
Auf Vater Konstantins Bitte hatte Kostja sogar versucht, zur Schule zu gehen. Aber das hatte er schnell aufgegeben und erklärt, dass er keine von diesen Glucken respektiere.
Nach und nach halfen auch Nachbarn der labilen Familie. Die Verkäuferin Nina überließ Ljubka abgeschriebene Waren – zerbrochene Makkaroni, steinhartes Gebäck oder feucht gewordenen Tee. Die glückliche Serafima strickte für Kostja einen Schal und Socken und machte sich an eine Mütze. Der hässliche Zehntklässler Sanja half, die Fenster zu verglasen, und brachte etwas zum Lesen vorbei, einen Roman mit dem Titel Arme Leute .
»Was für ein Quatsch«, sagte Kostja, nachdem er in dem zerfledderten Buch geblättert hatte. »Ein Typ und eine Alte wohnen nebeneinander und schreiben sich die ganze Zeit Briefe. Als wären sie zu faul, rüberzugehen.«
»Es handelt also von der Liebe?«, fragte Ljubka lebhaft.
»Nee. Die totale Gehirnwäsche.«
SIEBTES KAPITEL
Von der Liebe
Eines schönen Tages drehte sich Angelique Popowa, die gerade in die Abschlussklasse versetzt worden war, beim Hacken der Schulmöhren zum Nachbarbeet um und verliebte sich unglücklich in ihren Klassenkameraden Pascha Matwejew, schon zum dritten Mal in diesem Jahr.
Das teilte sie umgehend den beiden
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