Dummendorf - Roman
»Ich hab Geld, ich hab alles, aber Glück, das habe ich nicht. Aus lauter Langeweile markiere ich den großen Mann. Vor kurzem habe ich ein Dorf gekauft, der Name hat mir gefallen: Dokukino, ich heiße nämlich Dokukin. Diese Luder in der Verwaltung haben sich erst geziert, von wegen, da leben doch noch Menschen. Ich hab noch was draufgelegt, da haben sie’s mir mitsamt den Leuten drin verkauft.«
»Und was wollen Sie jetzt mit ihnen machen?«, fragte Vater Konstantin. Verheiraten und beim Kartenspiel verlieren?«
»Verheiraten! Wen denn? Lauter alte Frauen. Und Karten spiele ich nicht – das hab ich mir geschworen. Mein Bruder hat sich wegen dem Roulette umgebracht … Ach, es ist todlangweilig!«
»Ja, ein Reicher hat es schwer.«
Lautes Knacken und Gepolter – der von Kostja angesägte Stuhl hatte nachgegeben.
»Weißt du was«, sagte die hohe Stimme nach einer kurzen Pause, »wir reißen die Bruchbude hier ab und bauen dir einen anständigen Popenpalast, okay? Mit Sauna und Tiefgarage.«
»Wozu?«
»Nur so, aus Langeweile.«
Sie verstummten, und Jefim, ermattet von der Hitze, döste unversehens ein.
»Hör mal, vielleicht sollten wir die Kirche neu verputzen?«, drang die Stimme des Sägewerksbesitzers erneut zu ihm durch. »Und die Kreuze vergolden? Na?«
»Und Sie glauben, das hilft?«
»Der frühere Pope hat es versprochen.«
»Nein, nein. Sie kann nur die Liebe heilen.«
»Die Liebe?!«, rief der Reiche klagend. »Träumen schadet ja nichts! Weißt du, wie sehr ich mir wünsche, dass mich jemand liebt! Nicht für Geld, sondern einfach so! Aber das gibt es nicht.«
»Nein! Nicht geliebt werden – selber lieben! Sie müssen jemanden lieben.«
»Ich? Na, ich würde natürlich zurücklieben.«
»Warten Sie nicht. Fangen Sie an.«
»Ha! Du hältst mich wohl für blöd! Ich bin doch nicht auf den Kopf gefallen! Du hast keine Ahnung vom Leben! Diese Schlampen warten ja nur darauf, dass ich weich werde, und dann reißen sie sich heimlich alles unter den Nagel!«
Die alte Treppe ächzte. Jefim öffnete die Augen einen Spalt und sah den Sägewerksbesitzer herunterkommen. Er war unglaublich dick und sah mit seinem Lockenkopf und den rosa Bäckchen aus wie ein monströs aufgeblasener Säugling. Sein Gesicht wirkte hochmütig und unglücklich.
Er wuchtete sich in seinen Geländewagen, wobei sich die Vorderachse des mächtigen Gefährts fast bis zum Boden senkte, und rief dem auf der Treppe stehenden Vater Konstantin zu:
»Sei kein Dummkopf! Überleg dir das mit den Kuppeln! Pures Gold! Wie bei der Erlöserkirche!«
Als der reiche Mann weggefahren war, fegte Kostja wie ein grauer Wirbelwind in die Hütte. Kurz darauf war heftiges Hämmern zu vernehmen: Der Heimjunge reparierte den leidgeprüften Stuhl.
»Und womit wollen Sie mich erfreuen?«, fragte Vater Konstantin müde und setzte sich neben Jefim auf den Sockelsims.
»Ich bringe dir eine Ikone für die Kirche.«
Jefim wickelte das Handtuch ab und schnaufte vor Aufregung.
»Wer ist das?«, fragte Vater Konstantin ein wenig verblüfft.
»Wer schon! Der arme Lazarus im Paradies.«
Auf der Ikone war ein großer, gütiger Abraham dargestellt, der aussah wie Väterchen Frost. Mit einer Hand streichelte der Urvater dem winzigen Lazarus, der sich an ihn schmiegte, den Kopf, mit der anderen einen großen zottigen Hund. Drei weitere Promenadenmischungen lagen zu Abrahams Füßen und lächelten über die ganze Schnauze.
»Der frühere Pope hat gesagt: Hunde im Paradies, das ist Ketzerei! Aber ich finde, sie haben es verdient. Sie haben Lazarus als Einzige menschlich behandelt, ihm die Geschwüre geleckt und Mitleid mit ihm gehabt.«
»Ach, die wollten bloß fressen«, sagte Kostja, aus dem Fenster gebeugt. »Darum haben sie an seinen Wunden geknabbert.«
»Na, das ist mir ja einer.« Jefim verzog das Gesicht. »Kleiner Giftzwerg.«
»Seien Sie ihm nicht böse. Seine Mutter ist verschwunden. Schon den dritten Tag.«
»Ach, Ljubka«, seufzte Jefim und wickelte die Ikone wieder ein. »Ich gehe lieber. Sie haben jetzt anderes im Sinn.«
»Aber lassen Sie Ihre Hündchen hier.« Vater Konstantin lächelte. »Oder haben Sie es sich anders überlegt?«
Zufrieden machte sich Jefim auf den Heimweg. Wie er so langsam den Pfad zwischen den Fliederbüschen entlanglief, merkte er, dass er schreckliche Sehnsucht nach seiner Serafima hatte, und wollte schneller laufen, aber es ging nicht: Seine Beine entschieden für ihn, wie und wohin sie liefen.
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