Dune 02: Der Herr des Wüstenplaneten
watete bis an die Brust ins Wasser und tauchte ganz darin unter«, fuhr der alte Mann fort, während seine Augen die Meerestiere auf den Wandkacheln betrachteten. »Ein Mann versank in diesem Wasser ... der sich daraus erhob, war ein anderer Mann. Ich fühlte, daß ich mich an eine Vergangenheit erinnern konnte, die nie gewesen war. Ich blickte mit Augen umher, die alles annehmen konnten, die bereit waren, alles zu glauben. Ich sah einen Toten im Wasser – einen von den Verteidigern, die wir erschlagen hatten. Nicht weit davon schwamm ein Balken im Wasser, ein langes, gleichmäßig gehauenes Stück von einem großen Baum. Ein Ende war von einem Feuer geschwärzt. Und ein Stück Stoff trieb in dem Wasser, wallte darin hin und her, wie die Wellen es bewegten. Es war nicht mehr als ein gelber Fetzen – zerrissen, schmutzig. Ich betrachtete alle diese Dinge, und ich verstand, warum sie an diese Stelle gekommen waren. Es war, damit ich sie sehen sollte.«
Farok wandte sich langsam um und starrte in Scytales Augen. »Das Universum ist unvollendet, wissen Sie«, sagte er.
Er ist schwatzhaft, aber er empfindet tief, dachte Scytale. Und er sagte: »Ich sehe, daß es einen tiefen Eindruck auf Sie gemacht hat.«
»Sie sind ein Tleilax«, sagte Farok. »Sie haben viele Meere gesehen. Ich habe nur dieses eine gesehen, doch ich weiß etwas über Meere, das Sie nicht wissen.«
Scytale fand sich im Griff eines sonderbaren Gefühls der Beunruhigung.
»Die Mutter des Chaos wurde in einem Meer geboren«, sagte Farok. »Einer unserer Missionare, ein Qizara Tafwid stand in der Nähe, als ich triefend aus dem Wasser stieg. Er war nicht ins Meer gegangen. Er stand auf dem Sand – es war nasser Sand –, und bei ihm standen viele von meinen Männern, die seine Furcht teilten. Er sah mich mit Augen an, in denen das Wissen war, daß ich etwas gelernt hatte, das ihm verwehrt blieb. Ich war ein Meeresgeschöpf geworden, und ich ängstigte ihn. Die See hatte mich von Djihad geheilt, und ich glaube, er sah es.«
Scytale bemerkte, daß die Musik an irgendeiner Stelle der Erzählung aufgehört hatte. Er fand es beunruhigend, daß er nicht den Augenblick angeben konnte, an dem das Baliset verstummt war.
Als ob es für seine Erzählung relevant wäre, fügte Farok in unverändertem Tonfall fort: »Alle Tore sind bewacht. Es gibt keinen Weg in die Zitadelle des Herrschers.«
»Das ist ihre Schwäche«, sagte Scytale.
Farok reckte den Hals und spähte in die Höhe.
»Es gibt einen Weg hinein«, erläuterte Scytale. »Die Tatsache, daß die meisten Leute – und wie wir hoffen, auch der Herrscher – anderer Ansicht sind, gereicht uns zum Vorteil.« Er rieb sich das Kinn und fühlt die Fremdheit des Gesichts, das er gewählt hatte. Die Stille des Musikanten störte ihn. Bedeutete es, daß Faroks Sohn mit seiner Übertragung fertig war? Denn das war es natürlich gewesen: die Botschaft kondensiert und in der Musik übertragen. Sie war in Scytales Nervensystem eingeprägt, um dort im geeigneten Moment von dem in seinem Cortex eingepflanzten Distrans in sprachliche Begriffe umgewandelt zu werden. Wenn die Botschaft geendet hatte, dann war er ein Behälter unbekannter Worte geworden, ein mit Daten vollgestopfter Speicher: jede Verschwörerzelle hier auf Arrakis, jeder Name, jedes Losungswort, alle wichtigen Informationen.
Mit diesen Informationen konnten sie Arrakis trotzen, einen Sandwurm fangen und irgendwo außerhalb von Muad'dibs Reichweite die Melangeproduktion aufnehmen. Sie konnten das Monopol brechen, und mit ihm Muad'dib selbst. Sie konnten mit diesen Informationen unendlich viel anfangen.
»Wir haben die Frau hier«, sagte Farok. »Wünschen Sie sie jetzt zu sehen?«
»Wo ist sie?«
Farok schnippte mit den Fingern.
Der Junge nahm seine Rebek auf und zog den Bogen darüber. Semuta-Musik winselte. Eine junge Frau in einem blauen Gewand kam aus einer Tür hinter dem Musiker, angezogen von der Musik. Narkotische Stumpfheit erfüllte ihre Augen, die vom zweifachen Blau des Ibad waren. Wie die meisten Bewohner des Planeten war sie melangesüchtig, aber wie es schien, war sie noch einer anderen Sucht verfallen, die ihren Ursprung nicht auf Arrakis hatte. Ihr Bewußtsein lag tief in der Semuta, verloren an die Ekstase der Musik und der Droge.
»Otheyms Tochter«, sagte Farok. »Mein Sohn gab ihr das Narkotikum in der Hoffnung, trotz seiner Blindheit eine Frau für sich zu gewinnen. Wie Sie sehen können, ist sein Sieg leer. Semuta hat
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