Dune 02: Der Herr des Wüstenplaneten
jungfräuliche Priesterin, Gegenstand furchtsamer Verehrung für die abergläubischen Massen – Alia-von-den-Messern.
»Dies ist weder die Zeit noch der Ort für die leichtfertigen Bosheiten deiner Schwester«, sagte Irulan.
Paul schwieg, nickte Korba zu. »Der Platz ist voll von Pilgern. Gehen Sie hinaus und leiten Sie ihr Gebet.«
»Aber sie erwarten Sie, Herr«, sagte Korba.
»Setzen Sie Ihren Turban auf«, sagte Paul. »Auf die Entfernung werden sie es nie merken.«
Irulan unterdrückte Gereiztheit, daß sie ignoriert wurde, und sah Korba gehorsam aufstehen. Dann hatte sie den plötzlichen und beunruhigenden Gedanken, daß Edric ihre Aktionen womöglich nicht gegen Alia abschirmte. Was wissen wir wirklich von der kleinen Katze? fragte sie sich.
Chani hatte die Hände im Schoß und blickte über den Tisch zu Stilgar, ihrem Onkel und Pauls Premierminister. Ob er sich jemals nach dem einfacheren Leben in der Wüste sehnte? Stilgars Haar war ergraut, aber die Augen unter den dicken Brauen schienen noch immer wie in die Ferne gerichtet. Es war der Adlerblick des Nomaden, und sein Vollbart verlieh ihm vollends das Aussehen eines beduinischen Patriarchen.
Korba war auf den Balkon getreten und hob die ausgestreckten Arme zum Segen, und ein täuschender Effekt der Nachmittagssonne warf einen roten Heiligenschein auf das Fenster hinter ihm. Für einige Augenblicke sah der Hofqizara wie ein auf ein feuriges Rad Geflochtener aus. Nachdem er eine Weile in seiner Gebärde verharrt hatte, ließ Korba die Arme sinken und zerstörte die Illusion. Stilgar, der ihn die letzten Sekunden beobachtet hatte, wandte den Blick von der Gestalt des Priesters ab, gegen seinen Willen beeindruckt. Seine Gedanken gingen in ärgerlicher Frustration zu den kriecherischen Bittstellern, die im Audienzsaal warteten, und von dort zu dem ganzen hassenswerten Pomp, der Muad'dibs Thron umgab. Wenn man mit dem Herrscher am Konferenztisch saß, dachte er, hoffte man geradezu auf eine Schwäche in ihm, suchte nach Fehlern. Eine solche Haltung mochte einem Sakrileg gleichkommen, aber er konnte nicht anders: so fühlte er.
Das Gemurmel der fernen Menge drang in den Raum, als Korba zurückkehrte. Die Balkontür fiel hinter ihm zu und schloß das Geräusch aus.
Paul Muad'dibs nachdenklicher Blick folgte dem Qizara. Korba nahm wieder seinen Platz ein; sein dunkles Gesicht war verschlossen, aber in seinen Augen wohnte ein fanatischer Glanz. Er hatte diesen Augenblick religiöser Macht genossen.
»Die geistige Gegenwart wurde angerufen«, sagte er.
»Dem Herrn sei Dank dafür«, sagte Alia.
Korbas Lippen wurden weiß.
»Du behältst deine Bemerkungen besser für dich«, wies Paul ihn zurecht. »Sie tun hier nichts zur Sache.«
Wieder studierte er seine Schwester, verwundert über die Motive ihrer Angriffslust. Ihr jugendlich-unschuldiges Gesicht täuschte. Sie entstammte dem gleichen Bene Gesserit-Zuchtprogramm wie er. Was hatten genetische Auswahl und genetische Manipulation in ihr bewirkt? Da war immer dieser mysteriöse Unterschied: sie war nicht mehr als ein Embryo gewesen, als ihre Mutter das rohe Melangegift überlebt hatte. Mutter und ungeborene Tochter waren gleichzeitig Ehrwürdige Mütter geworden. Aber Gleichzeitigkeit hatte nichts mit Identität zu tun.
Von dem Erlebnis selbst sagte Alia, daß sie in einem einzigen schrecklichen Augenblick zu vollem Bewußtsein erwacht war, während ihr Gedächtnis die ungezählten anderen Leben absorbierte, die ihre Mutter in sich aufnahm.
»Ich wurde meine Mutter und alle die anderen«, sagte sie. »Ich war noch ungeformt, ungeboren, aber in jenem Augenblick wurde ich eine alte Frau.«
Sie fühlte jetzt seine Gedanken hinter seinem Blick und lächelte Paul hintergründig an. Sein Gesichtsausdruck entspannte sich. Wie konnte man auf Korba anders als mit zynischem Humor reagieren? fragte er sich. Was kann noch lächerlicher sein als der Chef eines Todeskommandos, verwandelt in einen Priester?
Stilgar klopfte auf seinen Aktenstoß. »Wenn mein Herr erlaubt«, sagte er. »Diese Angelegenheiten sind dringend.«
»Der Tupile-Vertrag?« fragte Paul.
»Die Gilde besteht darauf, daß wir diesen Vertrag unterzeichnen, ohne die genaue Position der Tupile-Planeten zu kennen«, sagte Stilgar. »Sie hat die Unterstützung des Landsraads und anderer Gruppen, die an der Exklusivität und Sicherheit eines Exils interessiert sind.«
»Welchen Druck haben Sie in den Verhandlungen ausgeübt?« fragte
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