Dune 03: Die Kinder des Wüstenplaneten
Berichtspulen. Sie erzählten eine beunruhigende Geschichte: der Wiederkehr eines kulturellen Überbleibsels aus uralten Zeiten – dem ›Wasser des Verstehens‹, bei dem die Flüssigkeit, die jedes Kind bei der Geburt umgab, destilliert wurde und seine erste Nahrung darstellte. Die traditionelle Form dieses Kults verlangte nach einer Ehrwürdigen Mutter, die dieses Wasser segnete und sprach: »Hier ist das Wasser deines Verstehens.« Selbst die jungen Fremen folgten bereits wieder diesem Ritual mit ihren Neugeborenen.
Das Wasser deines Verstehens.
Farad'n fühlte bei dem Gedanken, die eklige Flüssigkeit seiner Geburt trinken zu müssen, schieres Entsetzen. Und er dachte an den überlebenden Zwilling Ghanima, deren Mutter bereits tot gewesen war, als man sie dieser Prozedur unterzogen hatte. Ob sie später jemals daran gedacht hatte? Möglicherweise nicht. Sie war unter den Fremen aufgewachsen. Was für sie eine natürliche und akzeptable Sache war, mußte das gleiche auch für das Mädchen bedeuten.
Farad'n bedauerte flüchtig den frühen Tod des zweiten Leto. Es wäre sicher interessant gewesen, mit ihm darüber zu sprechen. Vielleicht ergab sich aber auch einmal die Gelegenheit, dies mit Ghanima zu tun.
Warum hat Idaho sich die Hand aufgeschnitten?
Die Frage bewegte ihn jedesmal, wenn er einen Blick auf den Bildschirm warf, aufs neue. Wieder ergriffen ihn Zweifel. Er sehnte sich nach der Möglichkeit, sich einer Gewürztrance zu unterwerfen wie Paul Muad'dib, um die Zukunft zu sehen und Antworten auf seine Fragen zu erhalten. Gleichgültig, wieviel Gewürz er nahm, sein Bewußtsein würde niemals in der Lage sein, das Jetzt zu überspringen. Es reflektierte lediglich das Universum mit all seinen Unsicherheiten.
Der Bildschirm zeigte jetzt eine Bedienstete, die Lady Jessicas Tür öffnete. Die Frau nickte Idaho zu, der von seiner Bank aufstand und eintrat. Was die Bedienstete anging und ihren Bericht, so konnte das warten. Farad'n, von Neugierde geplagt, betätigte einen anderen Schalter. Das Bild wechselte. Er sah Idaho das Wohnzimmer Jessicas betreten.
Wie kühl und beherrscht der Mentat erschien. Und wie unergründlich waren seine Ghola-Augen.
33
Über allem anderen muß der Mentat ein Generalist, keinesfalls aber ein Spezialist sein. Es ist vorteilhaften Entscheidungen von größter Wichtigkeit von einem Generalisten treffen zu lassen: Experten und Spezialisten führen einen geradewegs ins Chaos, denn sie sind die Quelle aller Haarspaltereien und kämpfen um jedes Komma. Der Generalist-Mentat, auf der anderen Seite, bringt, wenn er Entscheidungen trifft, vor allen Dingen seinen gesunden Menschenverstand mit. Er darf sich nicht selbst von den breiten Strömungen des Universums abschneiden. Er sollte ständig in der Lage sein, sagen zu können: »Im Moment gibt mir diese Aufgabe noch keine wirklichen Rätsel auf. Und mehr wollen wir jetzt auch gar nicht. Es mag sich später herausstellen, daß meine Ansicht falsch war, aber spätestens dann können wir sie korrigieren.« Der Generalist-Mentat muß erkennen, daß alles, was wir als unser Universum identifizieren können, lediglich Teil eines weitaus größeren Phänomens ist. Aber der Experte blickt zurück und sieht doch nicht mehr als den beschränkten Horizont seines Spezialistentums. Der Generalist hingegen richtet seine Sinne nach außen; sucht nach existierenden Gründen und weiß mit vollem Bewußtsein, daß sich solche Grundsätze im Verlauf ihrer Existenz ändern. Es sind die Charakteristika der Veränderung, die der Generalist-Mentat finden muß. Und eine allgemeingültige Aufzählung derartiger Veränderungen kann es ebensowenig geben wie ein diesbezügliches Handbuch. Es bleibt einem nichts anderes übrig, als die Dinge mit so wenig Vorurteilen wie möglich zu betrachten und sich zu fragen: »Was werden sie jetzt tun?«
Das Handbuch des Mentaten
Es war der Tag des Kwisatz Haderach, der höchste Heilige Tag derjenigen, die an Muad'dib glaubten. Er beschrieb die göttliche Gestalt des Paul Atreides als Person, die allgegenwärtig sein konnte, als den männlichen Bene Gesserit, der die Kräfte all seiner männlichen Bene Gesserit, der die Kräfte all seiner männlichen und weiblichen Vorfahren in sich vereinigte. Die Gläubigen nannten diesen Tag Ayil, was ›das Opfer‹ bedeutete, um klarzumachen, daß es gerade sein Tod gewesen war, der seine Gegenwart ›an allen Orten wirklich machte‹.
Der Prediger hatte sich diesen Tag
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