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Dune 03: Die Kinder des Wüstenplaneten

Dune 03: Die Kinder des Wüstenplaneten

Titel: Dune 03: Die Kinder des Wüstenplaneten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Herbert
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Sietch, vermummt wie ein Gespenst, ohne ein Ziel zu haben. Er war völlig damit beschäftigt, sich mit den Zweifeln auseinanderzusetzen, für deren plötzliche Existenz Leto verantwortlich war. Wenn man sich nicht auf die Traditionen verlassen konnte – wo befand sich dann der Felsen, nach dem er den Anker seines Lebens auswerfen konnte?
    An dem Nachmittag, an dem Lady Jessica zu ihrem Willkommensempfang erschienen war, hatte Stilgar Ghanima beobachtet. Sie hatte zusammen mit ihrer Großmutter am Eingang des großen Versammlungsraums gestanden. Es war früh gewesen, und Alia war noch nicht aufgetaucht, aber die Leute hatten sich bereits in den großen Höhlenraum gedrängt und dabei heimlich Blicke auf das Kind wie auch die ältere Frau geworfen, während sie an ihnen vorbeigingen. Er hatte sich – abseits der Menschenmenge – in einem schattigen Alkoven verborgen gehalten und die beiden beobachtet, obwohl er keines ihrer gewechselten Worte verstehen konnte, weil das Gemurmel der Menschen sie unverständlich machte. Die Angehörigen vieler Stämme würden heute erscheinen, um die Rückkehr ihrer verehrten ehemaligen Ehrwürdigen Mutter zu feiern. Aber Stilgar hatte in diesem Moment nur Augen für Ghanima gehabt. Ihre Augen: Die Art, in der sie tanzten, wenn sie sprach! Und ihre Bewegungen – sie faszinierten ihn. Die tiefblauen, aufmerksamen, fordernden, abschätzenden Augen. Die ganze Art, in der sie das rotgoldene Haar über die Schulter warf, deutete auf Chani hin. Sie hatte auf ihn wie eine geisterhafte Wiedererweckung gewirkt. Die Ähnlichkeit war erschreckend gewesen.
    Stilgar bewegte sich langsam näher an die beiden heran und tauchte in einem anderen Alkoven unter.
    Noch nie hatte er bei einem anderen Kind eine ähnlich scharfe Beobachtungsgabe festgestellt – ausgenommen natürlich bei ihrem Bruder. Aber wo steckte Leto überhaupt? Stilgar schaute in den überfüllten Korridor hinein. Wenn irgend etwas nicht stimmte, würden seine Wachen schon Alarm schlagen. Er schüttelte den Kopf. Die Zwillinge brachten ihn beinahe um den Verstand. Sie waren ein ständiger Affront gegen den Frieden seines Bewußtseins. Sie beschäftigten ihn tagein, taugaus, und beinahe haßte er sie dafür. Und obwohl sie mit ihm direkt verwandt waren, war es eher ihr Blut (und das darin enthaltene Wasser), das nach seiner Gunst verlangte und alle anderen Verbindungen in eine zweitrangige Position rückte. Die Zwillinge stellten die größte Verpflichtung seines Lebens dar.
    Staubgefiltertes, braunes Licht drang aus der hinter Jessica und Ghanima liegenden Versammlungshöhle heraus. Es berührte die Schultern des Mädchens ebenso wie seine neue Robe. Als Ghanima sich umdrehte und einen Blick in den von Menschen gefüllten Gang warf, leuchtete ihr Haar in überirdischem Licht.
    Was bezweckte Leto damit, daß er mich zum Zweifeln brachte? fragte sich Stilgar. Er hatte es nicht ohne Grund getan. Vielleicht will er erreichen, daß ich einen kleinen Teil seiner geistigen Erfahrungen teile. Er wußte, warum die Zwillinge sich so sehr voneinander unterschieden, aber er hatte es nie geschafft, diese Erkenntnis zu verinnerlichen. Stilgar konnte sich nicht vorstellen, daß der Mutterleib für ein erwachendes Bewußtsein ein Gefängnis sein konnte, erwachte es zwei Monate nach der Zeugung in vollem Umfang und absoluter Begriffsfähigkeit.
    Leto hatte einmal gesagt, seine Erinnerungen seien mit einem inneren Holographen vergleichbar, der sich zwar in Größe und Detail nicht von seinem Erwachensschock unterscheide, allerdings auch niemals die Gestalt wechsle.
    Zum erstenmal, seit Stilgar Ghanima und Jessica beobachtete, begann er zu verstehen, was für ein Gefühl es sein mochte, unter dem Druck eines unentrinnbaren Netzes von Erinnerungen zu leben, denen man sich nicht entziehen kann, weil das eigene Bewußtsein über keinen Raum verfügt, in den man sich zurückziehen kann. Unter solchen Umständen zu leben bedeutete einerseits, daß man sich mit dem integrierten Wahnsinn abfand, gleichzeitig aber auch als Auswählstation für die Millionen und Abermillionen ungebetenen Einflüsse fungierte und sich einem Gedankenstrom aussetzte, in dem sich die Antworten ebenso schnell änderten wie die Fragen.
    Es gab keine wegweisenden Traditionen und ebensowenig gab es absolute Antworten auf zweideutige Fragen. Was läßt sich steuern? Das, was sich nicht steuern läßt. Was läßt sich nicht steuern? Das, was sich steuern läßt. Das Muster wurde ihm

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