Dune 03: Die Kinder des Wüstenplaneten
aus, daß viele der Umstehenden es hören konnten, und Jarvid nichts anderes übrigblieb, als ihrer Anweisung Folge zu leisten.
Obwohl seine Augen vor Wut blitzten, kam er nicht darum herum, sich zu verbeugen, bevor er seine Position an der Tür der Großen Halle wieder einnahm.
Der Wortwechsel schien Jessica genau zu den bisher getätigten Beobachtungen zu passen. Wenn Jarvid von Alia sprach, transportierte seine Stimme den heiseren Unterton eines Mannes, der in sie verliebt sein mußte, daran gab es nichts zu rütteln. Die Gerüchte entsprachen also der Wahrheit. Alia hatte es ihrem Leben gestattet, einen Weg zu nehmen, der nichts als Schrecknis für sie bereithielt. Das bedeutete, daß sie sich willig in die Arme der Verdammnis geworfen hatte. War es eine Art perverser Freude an der Selbstzerstörung? Es war als sicher anzusehen, daß sie sowohl auf ihren eigenen Untergang hinarbeitete, als auf die Vernichtung der Machtbasis, die auf den Lehren ihres Bruders beruhte.
Schwache Zeichen der Beunruhigung waren plötzlich innerhalb des Vorraums zu spüren. Diejenigen, die jeden Tag hier erschienen, bemerkten, daß Alia sich verspätete – und der Rest schien zutiefst beunruhigt über die weithin sichtbare Zurechtweisung ihres Favoriten zu sein.
Jessica seufzte. Sie kam sich vor, als sei ihr Körper an diesen Ort gekommen, während ihre Seele ganz woanders weilte. Die Bewegungen in den Reihen der Höflinge waren so durchsichtig! Sie suchten prominente Persönlichkeiten auf und flüsterten mit ihnen. Jessica sah hochgezogene Augenbrauen und versuchte, die Wichtigkeit der Anwesenden anhand ihres Aussehens einzuschätzen. Die Zurechtweisung hatte Jarvid offensichtlich getroffen; sie sah, daß einige Leute plötzlich mit ihm sprachen. Aber auch die anderen! Ihr trainiertes Auge sah deutlich, wie sie die Mächtigen einschätzten.
Sie machen mir ihre Aufwartung nicht, weil ich gefährlich bin, dachte sie. Sie können es förmlich riechen, daß ich etwas repräsentiere, vor dem sich Alia fürchtet.
Als sie die Leute ansah, wandten sich deren Blicke von ihr ab. Sie erschienen Jessica plötzlich so nichtig, daß sie sich zurückhalten mußte, um angesichts derart nutzlosen Lebens nicht aufzuschreien. Oh, wäre doch nur der Prediger hier – und könnte er diesen Raum in seinem momentanen Zustand sehen!
Ein Teil einer in ihrer Nähe gehaltenen Konversation erweckte ihre Aufmerksamkeit. Ein breitschultriger, schlanker Priester sprach zu einer Gruppe von Leuten, die sich seiner Führung anvertraut hatte und sagte: »Oft muß ich Dinge sagen, die sich nicht mit dem decken, was ich denke. Das nennt man Diplomatie.«
Das darauffolgende Gelächter war zu laut und brach zu abrupt ab. Jessica sagte nichts, aber sie dachte: Mein Herzog hätte einen solchen Burschen in das entfernteste Höllenloch verbannt. Und ich hätte ihn nicht zu früh wieder dort herausholen lassen.
Sie wußte jetzt, daß sie auf Caladan zu lange in einer isolierten Kapsel gelebt hatte. Es war so gut wie nichts zu ihr durchgedrungen. Was sie erfahren hatte, war mit der Spitze eines Eisberges vergleichbar. Ich habe nur in meiner eigenen Traumwelt gelebt, dachte sie. Der Planet war ihr wie eine Insel erschienen, der sie von der Außenwelt so abschirmte, daß nicht einmal die Ankunft irgendwelcher Heighliner der Gilde sie aus ihrem paradiesischen Frieden aufgeschreckt hatten.
Wie verführerisch ist es doch, in Frieden zu leben, dachte sie.
Je mehr sie von Alias Hof zu sehen bekam, desto mehr Sympathie empfand sie für die Worte des blinden Predigers, die ihr zu Ohren gebracht wurden. Ja, auch Paul hätte so reagiert, wäre er in der Lage gewesen, zu sehen, was aus seinem Vermächtnis geworden war. Sie fragte sich, was Gurney inzwischen bei den Schmugglern erfahren hatte.
Jessica stellte fest, daß ihre erste Reaktion auf Arrakis die richtige gewesen war. Bereits auf der ersten Fahrt an Jarvids Seite in die Stadt hinein hatte sie die gepanzerten Bildschirme wahrgenommen, die die Bürger bespitzelten, dazu abgesicherte Gassen und Alleen und gleichmütig herumstehende Beobachter an jeder Ecke. Arrakeen war zu einem ungemütlichen Ort geworden. Er vermittelte einem hintergründig das Gefühl, niemals allein zu sein.
Plötzlich öffnete sich die kleine Seitentür. Eine Vorhut priesterlicher Amazonen ergoß sich in den Vorraum, die Alia nach allen Seiten hin abschirmte. Und sie selbst bewegte sich, als sei sie sich ihrer wahrhaftigen, schrecklichen Macht voll
Weitere Kostenlose Bücher