Dune 05: Die Ketzer des Wüstenplaneten
Kaskade der Vielfalt für ein Kind, das nur die innere Ruhe und die Freundschaften Gammus kannte. Die Bene Gesserit-Erziehung schloß auch eine hochgradig körperliche Ausbildung mit ein. Man hatte sie regelmäßig daran erinnert, daß es hoffnungslos war, wenn man glaubte, man könne eine Ehrwürdige Mutter werden, ohne sich starkem Schmerz und bestimmten Perioden von scheinbar sinnlosen Muskelübungen auszusetzen.
In diesem Stadium hatten einige ihrer Gefährtinnen versagt. Sie waren gegangen, um Kinderschwestern, Bedienstete, Arbeiterinnen und Gelegenheitszuchtmateriel zu werden. Sie füllten dort die Lücken, wo die Schwesternschaft sie brauchte. Es hatte Zeiten gegeben, in denen Odrade geglaubt hatte, ein Versagen dieser Art könne auch ein gutes Leben sein: man hatte weniger Verpflichtungen und weniger Ziele. Aber das war gewesen, bevor sie die Primärausbildung hinter sich gebracht hatte.
Ich hielt es für einen Aufstieg, als hätte ich siegreich eine Oberfläche durchbrochen. Und dann war ich auf der anderen Seite.
Nur um festzustellen, daß sie sich nun auf einer Ebene befand, auf der man noch viel mehr von ihr verlangte.
Odrade setzte sich in ihrem Erker auf und stieß das Kissen beiseite. Sie wandte dem Basar den Rücken zu. Es wurde lauter draußen. Verdammte Priester! Sie streckten die Verspätung bis an die äußerste Grenze!
Ich muß an meine eigene Kindheit denken, dachte sie. Es wird mir mit Sheeana weiterhelfen. Und sofort verachtete sie sich wegen ihrer Schwäche. Schon wieder eine Entschuldigung!
Manche Kandidaten brauchten mindestens fünfzig Jahre, um zu einer Ehrwürdigen Mutter zu werden. Dies wurde ihnen während der Sekundärausbildung eingehämmert: jetzt ging es um die Geduld. Odrade hatte eine besondere Vorliebe für diese Ausbildungsphase gezeigt. Man sprach davon, daß aus ihr möglicherweise eine Mentatin oder auch eine Archivarin werden würde. Als man erkannte, daß ihre Fähigkeiten in gewinnbringenderen Richtungen lagen, wurde dieser Gedanke wieder fallengelassen. Im Domstift hatte man sie auf sinnlichere Pflichten angesetzt.
Sicherheit.
Das wilde Talent unter den Atreides ging oft dieser Beschäftigung nach. Sorgfalt im Umgang mit Einzelheiten, das war Odrades herausragendes Kennzeichen. Sie wußte, daß ihre Schwestern manche ihrer Handlungen schon deswegen voraussagen konnten, weil sie sie durch und durch kannten. Taraza konnte es regelmäßig. Odrade hatte die Erklärung dafür aus ihrem eigenen Munde zufällig mitgehört: »Odrades Persönlichkeit zeigt sich mit aller Deutlichkeit darin, wie sie ihre Pflichten erfüllt.«
Im Domstift gab es einen Witz: »Was macht Odrade, wenn sie Dienstschluß hat? – Sie geht arbeiten.«
Das Domstift zeigte so gut wie kein Bedürfnis, jene Schutzmasken anzulegen, die eine Ehrwürdige Mutter automatisch benutzte, wenn sie draußen war. Dort konnte sie zeitweise ihre Gefühle zeigen, offen über ihre eigenen und die Fehler von anderen reden, sich traurig und verbittert – und manchmal sogar glücklich zeigen. Dort standen einem Männer zur Verfügung – nicht für Zuchtzwecke, aber zum gelegentlichen Trost. Alle Bene Gesserit-Domstift-Männer waren ziemlich charmant, und ein paar von ihnen waren in ihrem Charme sogar aufrichtig. Aber natürlich waren diese wenigen stark beansprucht.
Gefühle.
Erkenntnis zuckte in Odrades Geist auf.
Ich komme immer wieder darauf zurück.
Sie spürte das wärmende Abendsonnenlicht Rakis' auf dem Rücken. Sie wußte, wo sich ihr Körper befand, aber ihr Bewußtsein öffnete sich für die kommende Begegnung mit Sheeana.
Liebe!
Es würde so leicht und so gefährlich sein.
In diesem Moment beneidete sie die »stationierten« Mütter; jene Frauen, denen man es gestattete, ihr ganzes Leben mit dem Zuchtpartner zu verbringen, mit dem sie verheiratet waren. Miles Teg war einer solchen Verbindung entsprungen. Ihre Weitergehenden Erinnerungen sagten ihr, wie es mit Lady Jessica und ihrem Herzog gewesen war. Sogar Muad'dib hatte diese Form des Zusammenlebens gewählt.
Aber ich darf es nicht.
Odrade empfand bitteren Neid darüber, daß man ihr ein solches Leben nicht gestattet hatte. Auf welche Weise kompensierte sie das Leben, das man für sie vorbereitet hatte?
»Ein Leben ohne Liebe bedeutet, daß man sich der Schwesternschaft intensiver widmet. Wir versorgen die Eingeweihten mit unserer eigenen Art der Unterstützung. Macht euch keine Sorgen wegen der Freuden der Sexualität. Sie sind für euch
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