Dune 05: Die Ketzer des Wüstenplaneten
errichtet hatte. Onn hatte viele markante Punkte Arrakeens ausradiert, aber einige Alleen waren erhalten geblieben: manche Gebäude waren zu nützlich, um sie durch andere zu ersetzen. Gebäude kennzeichneten unausweichlich die Straßen.
Dort, wo die Allee in den Basar einmündete, kam Sheeanas Eskorte zu einem Halt. Gelbbehelmte Gardisten schoben sich an die Spitze und machten den Weg mit ihren Knüppeln frei. Die Gardisten waren ausnahmslos hochgewachsen, und wenn sie ihre dicken, zwei Meter langen Knüppel auf den Boden stellten, reichten sie dem kleinsten unter ihnen gerade bis an die Schultern. Selbst in der ungeordnetsten Menge konnte man einen Priester-Gardisten nicht übersehen, aber Sheeanas Bewacher waren die größten der Großen.
Jetzt gingen sie weiter. Die Gruppe kam auf Odrade zu. Bei jedem Schritt klappten ihre Roben auf und enthüllten das glatte Grau ihrer erstklassigen Destillanzüge. Sie gingen geradeaus, fünfzehn Mann in einer spitzen V-Formation, und sie drängten sich an den Menschentrauben, die die Stände umgaben, vorbei.
Hinter ihnen kam eine lose Gruppe von Priesterinnen, in deren Mitte sich Sheeana befand. Odrade konnte hin und wieder einen Blick auf die unverwechselbare Gestalt des Mädchens werfen, das sich mit sonnengeflecktem Haar und stolz erhobenem Gesicht inmitten seiner Eskorte bewegte. Es waren jedoch die gelbbehelmten Priester-Gardisten, die Odrades Aufmerksamkeit erregten. Sie bewegten sich mit einer Arroganz, die man ihnen von Kindheit an eingebleut hatte. Diese Gardisten wußten, daß sie besser waren als das gewöhnliche Volk. Und das gewöhnliche Volk reagierte auf sie, indem es – wie vorauszusehen – eine Gasse für Sheeana und ihren Trupp öffnete.
All das geschah auf eine so natürliche Weise, daß Odrade darin eine uralte Verhaltensweise erkannte. Es war, als beobachte sie einen anderen rituellen Tanz; einen Tanz, der sich seit Jahrtausenden nicht verändert hatte.
Und wie schon oft zuvor, sah Odrade nun in sich eine Archäologin – und zwar nicht eine solche, die die staubbedeckten Überreste alter Zeiten sondierte, sondern eine Persönlichkeit, die sich auf etwas konzentrierte, dem die Schwesternschaft nur gelegentlich Aufmerksamkeit zollte: auf die Art, wie die Menschen ihre eigene Vergangenheit mit sich herumschleppten. Der persönliche Plan des Tyrannen wurde hier offenbar. Sheeanas Auftauchen war etwas, das der Gott-Kaiser von vornherein geplant hatte.
Unter Odrades Fenster fuhren die fünf nackten Männer mit ihrem Tanz fort. Allerdings erkannte Odrade unter den Zuschauern eine neue Art des Wahrnehmens. Ohne auf irgendeine besondere Art den Kopf zu wenden und die sich nähernde Phalanx der Priester-Gardisten anzusehen, wußten die Menschen, daß sich ihnen jemand näherte.
Tiere wissen stets, wann die Schäfer sich nähern.
Jetzt rief die Aufregung der Menge einen schnelleren Pulsschlag hervor. Man würde ihnen ihr Chaos nicht nehmen! Ein Dreckklumpen flog vom Rand der Zuschauermenge her durch die Luft und fiel den Tänzern vor die Füße. Die fünf Männer ließen in ihrem arhythmischen Gehopse zwar keinen Schritt aus, aber ihr Tempo nahm zu. Die Länge des Zyklus, der zwischen den Schrittwiederholungen lag, zeigte, daß sie ein ausgezeichnetes Erinnerungsvermögen besaßen.
Wieder flog ein Dreckklumpen über die Köpfe der Menge. Diesmal traf er einen der Tänzer an der Schulter. Keiner der fünf Männer brach den Tanz ab.
Die Menge fing an zu schreien. Manche krakeelten, andere brüllten Flüche. Das Geschrei wurde zu einem rhythmischen Geklatsche, das die Bewegungen der Tänzer durcheinanderbringen sollte.
Immer noch gingen die Tänzer nach dem gleichen Muster vor.
Das Gebrüll der Menge wurde zu einem heiseren Rhythmus; fortgesetzt erklangen Verwünschungen, die von den hohen Mauern zurückgeworfen wurden. Der Mob wollte die Konzentration der Tänzer brechen. Odrade spürte, daß die sich unter ihr abspielende Szene von unergründlicher Wichtigkeit war.
Sheeanas Trupp hatte den Basar inzwischen zur Hälfte überquert. Er bewegte sich nun durch die breiteren Gänge, die zwischen den Ständen lagen, und wandte sich nun direkt Odrade zu. Etwa fünfzig Meter vor den Priester-Gardisten war die Menge am dichtesten. Die Gardisten bewegten sich mit festem Schritt und hatten nur Verachtung für jene übrig, die sich zur Seite hin aus dem Staub machten. Unter den gelben Helmen schauten ihre Augen geradeaus, blickten über den Mob hinweg. Nicht einer
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