Dune 05: Die Ketzer des Wüstenplaneten
und einen überraschenden Konflikt heraufzubeschwören. Es hatte mit der gefährlichen Gabe der Hellseherei zu tun, die sie den Atreides verdankte und die ihr insgeheim von Nutzen war. Daß sie dieses verborgene Talent einsetzte, hatte die größte Opposition hervorgerufen. Und dieses Argument, das mußte sogar Taraza zugeben, hatte das größte Gewicht. Das Problem war, daß diese Fähigkeit tief in ihrem Innern verankert war und sich nur bei gelegentlichen heftigen Turbulenzen offenbarte!
»Setzt sie ein, aber seid stets bereit, sie zu eliminieren!« hatte Taraza gesagt. »Immerhin haben wir noch den größten Teil ihrer Nachkommen.«
Taraza wußte, daß sie sich auf Lucilla verlassen konnte ... – vorausgesetzt, sie hatte es irgendwie geschafft, mit Teg und dem Ghola zusammen unterzutauchen. In der Festung auf Rakis lauerten natürlich schon weitere Meuchelmörder. Die Waffe mußte sehr bald scharfgemacht werden.
Taraza spürte plötzlich, wie in ihr alles durcheinandergeriet. Ihre Weitergehenden Erinnerungen empfahlen ihr äußerste Vorsicht. Sie durften nie wieder die Kontrolle über die Zuchtreihen verlieren! Ja, wenn Odrade einem Eliminierungsversuch entkam, würde sie für immer eine Entfremdete sein. Odrade war eine vollwertige Ehrwürdige Mutter, und einige andere mußten sich immer noch draußen in der Diaspora aufhalten – zwar nicht unter den Geehrten Matres, die die Schwesternschaft observiert hatte, aber immerhin ...
Nie wieder! Das war das geltende Motto. Nie wieder einen neuen Kwisatz Haderach oder einen neuen Tyrannen.
Kontrolliert die Erzeuger! Kontrolliert ihren Nachwuchs!
Ehrwürdige Mütter starben nicht, wenn ihr Körper starb. Sie versanken immer tiefer im Lebenskern der Bene Gesserit, bis ihre beiläufige Schulung und sogar ihre unbewußten Beobachtungen zu einem Teil der weiterexistierenden Schwesternschaft wurden.
In bezug auf Odrade keine Fehler begehen!
Die an Odrade gerichtete Antwort erforderte eine spezielle Artikulation und außergewöhnliche Sorgfalt. Odrade, die bestimmte begrenzte Gefühle zuließ – sie nannte sie ›milde Wärme‹ –, verteidigte den Standpunkt, daß Gefühle wertvolle Erkenntnisse lieferten, wenn man darauf achtete, daß sie einen nicht leiteten. Taraza sah in dieser milden Wärme einen Weg in ihr Herz – eine tödliche Öffnung.
Ich weiß, was du von mir hältst, Dar, mit deiner milden Wärme gegenüber einer alten Schulkameradin. Du hältst mich für eine potentielle Gefahr für die Schwesternschaft, aber du glaubst, daß wachsame ›Freunde‹ mich retten könnten.
Taraza wußte, daß einige ihrer Beraterinnen Odrades Meinung teilten, ihr ruhig zuhörten und sich eines Urteils enthielten. Zwar folgten die meisten von ihnen immer noch der Führung der Mutter Oberin, aber viele wußten von Odrades Talent und anerkannten ihre Zweifel. Nur ein Ziel hielt den Hauptteil der Schwestern in der Reihe, und Taraza wollte gar nicht erst versuchen, sich selbst etwas vorzumachen.
Jede Mutter Oberin handelte aus einer grundlegenden Treue zur Schwesternschaft heraus. Nichts durfte den Fortbestand der Bene Gesserit gefährden – nicht einmal sie selbst. In ihrer präzisen und äußerst selbstkritischen Art überdachte Taraza ihre Beziehung zum Fortbestand der Schwesternschaft.
Es gab offensichtlich keine Notwendigkeit für eine sofortige Eliminierung Odrades. Trotzdem – sie war dem Zentrum des Ghola-Plans so nahe, daß kaum etwas, das in ihrer Umgebung passierte, ihrer empfindlichen Wahrnehmungsfähigkeit entgehen konnte. Vieles von dem, was man ihr nicht gesagt hatte, würde ihr bekannt werden. Das Atreides-Manifest war schon ein Risiko gewesen. Odrade, die genau die Richtige gewesen war, um es zu verfassen, konnte im Zuge dieser Arbeit nur zu einem tieferen Verständnis der Dinge gekommen sein, auch wenn die Worte selbst die letzte Barriere der Offenbarung waren.
Taraza war klar, daß Waff dies zu würdigen wußte.
Sie wandte sich vom dunklen Fenster ab und ging zu ihrem Stuhlhund zurück. Der Augenblick der mißlichen Entscheidung – ob es Sinn hatte oder nicht – konnte verschoben werden, aber in der Zwischenzeit mußte sie bestimmte Schritte einleiten. Sie legte sich eine Rohbotschaft zurecht und beschäftigte sich näher mit ihr, während sie gleichzeitig nach Burzmali schickte. Der Lieblingsschüler des Bashars mußte in Marsch gesetzt werden – aber nicht so, wie Odrade es sich wünschte.
Die Botschaft an Odrade war im wesentlichen
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