Dune 05: Die Ketzer des Wüstenplaneten
ein.
Sie erinnerte sich an ihre Wahnsinnstat, von der Düne zu springen und auf den Wurm zu steigen. »Verdammt sollst du sein, Shaitan!« schrie sie und drohte seinem abscheulichen Maul mit geballter Faust. »Was haben wir dir getan?«
Die Worte hatte sie von ihrer Mutter nach der Zerstörung eines Knollengärtchens gehört. Sheeanas Bewußtsein hatte weder den Namen Shaitan noch den Zorn ihrer Mutter je in Frage gestellt. Sie gehörte zum ärmsten Bodensatz der Massen von Rakis, und das wußte sie. Ihresgleichen glaubte erst einmal an Shaitan, und erst in zweiter Linie an Shai-Hulud. Würmer waren Würmer, und oft noch etwas Schlimmeres. Es gab keine Gerechtigkeit in der offenen Wüste. Dort lauerten nur Gefahren. Die Armut und die Angst vor den Priestern hatten ihre Leute zwar in die gefährlichen Dünen hinausgetrieben, aber auch dort bewegten sie sich noch mit der gleichen zornigen Beharrlichkeit, die einst die Fremen ausgezeichnet hatte.
Diesmal hatte Shaitan allerdings gewonnen.
Langsam wurde Sheeana klar, daß sie in seinem tödlichen Weg stand. Ihre Gedanken, auch wenn sie noch nicht ganz ausgeformt waren, sagten ihr, daß sie eine Verrücktheit begangen hatte. Erst sehr viel später, als die Lehren der Schwesternschaft ihr Bewußtsein geprägt hatten, wurde ihr klar, daß das Grauen der Einsamkeit für alles verantwortlich gewesen war. Sie hatte sich gewünscht, Shaitan würde auch sie umbringen.
Ein Knirschen drang unter dem Wurm hervor.
Sheeana unterdrückte einen Aufschrei.
Zuerst langsam, dann schneller, zog sich der Wurm mehrere Meter zurück. Dann machte er eine Drehung auf engstem Raum und jagte durch die Furche, die er erzeugt hatte, in die Richtung davon, aus der er gekommen war. Die Wälle, die er zu beiden Seiten aufwarf, verloren sich in der Ferne. Sheeana hörte jetzt ein anderes Geräusch. Sie blickte zum Himmel. Über ihr ertönte das Thwock-thwock eines priesterlichen Ornithopters, in dessen Schatten sie sich jetzt aufhielt. Die Maschine glitzerte im Licht des Morgens, als sie sich anschickte, dem Wurm in die Wüste hinaus zu folgen.
Und dann verspürte Sheeana eine Angst, die ihr vertrauter war.
Die Priester!
Sie hielt den Blick auf den Thopter gerichtet. Er verharrte in der Ferne, dann drehte er ab, um in ihrer Nähe sanft auf einem wurmgeglätteten Fleck zu landen. Sie roch die Schmiermittel und den ätzenden Gestank des Thoptertreibstoffs. Das Ding sah aus wie ein Rieseninsekt, das sich auf den Sand duckte und darauf wartete, sie anzuspringen.
Eine Luke öffnete sich.
Sheeana schob die Schultern zurück und blieb eisern stehen. Na schön; man hatte sie halt erwischt. Sie wußte, was sie nun zu erwarten hatte. Mit einer Flucht konnte sie nichts erreichen. Nur die Priester benutzten Thopter. Sie konnten überall hinfliegen und alles sehen.
Zwei kostbar gekleidete Priester, deren goldweiße Roben eine purpurne Paspelierung aufwiesen, tauchten auf und liefen über den Sand auf sie zu. Sie warfen sich so nahe vor Sheeana auf die Knie, daß sie ihre Ausdünstung und den würzigen Melangeduft roch, der ihren Kleidern entströmte. Sie waren zwar beide noch jung, aber sie unterschieden sich in keiner Weise von den Priestern, die sie kannte: Sie hatten weiche Gesichtszüge, gepflegte Hände und gingen sorglos mit ihrer Körperflüssigkeit um. Keiner der beiden trug unter seiner Robe einen Destillanzug.
Der Priester zu ihrer Linken, dessen Augen mit denen Sheeanas auf einer Ebene waren, sagte: »Kind des Shai-Hulud, wir sahen, wie dein Vater dich aus seinen Landen brachte.«
Für Sheeana ergaben diese Worte keinen Sinn. Priester waren Menschen, die man fürchten mußte. Ihre Eltern und alle anderen Erwachsenen, denen sie je begegnet war, hatten ihr dies mit Worten und Taten beigebracht. Priester besaßen Ornithopter. Priester verfütterten einen an Shaitan – und zwar bei der geringsten Aufmüpfigkeit. Manchmal taten sie das sogar, wenn man nicht aufmüpfig war, einfach aus priesterlichen Launen heraus. Sheeanas Volk kannte viele Beispiele dafür.
Sheeana wich vor den knienden Männern zurück und sah von einem zum anderen. Wohin konnte sie fliehen?
Der Priester, der zu ihr gesprochen hatte, hob flehentlich eine Hand. »Bleib bei uns!«
»Ihr seid schlecht!« Sheeanas Stimme überschlug sich beinahe.
Beide Priester warfen sich unterwürfig in den Sand.
In weiter Ferne, auf den Türmen der Stadt, warfen Linsen das Sonnenlicht zurück. Sie kannte derartige Blitze. Die Priester
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