Dune - Frühe Chroniken 01 - Das Haus Atreides
einer solchen Erklärung überzeugt sein, aber der Kronprinz hatte den Richtern einen Weg aus dem Dilemma angeboten.
Das Gericht beriet sich leise. Einige waren der Ansicht, dass Shaddams Argumente plausibel klangen – sie waren offensichtlich daran interessiert, es dem neuen Imperator recht zu machen –, doch Vidal gehörte nicht zu dieser Fraktion. Schweiß lief ihm über die Stirn.
Als Leto sich umblickte, sah er, wie der Tleilaxu-Sprecher missbilligend den Kopf schüttelte. Auf dem hohen Stuhl, den man für ihn am Tisch der Anklage aufgestellt hatte, wirkte er wie ein trotziges Kind.
Der Kronprinz setzte seinen Appell fort. »Ich stehe hier, wie es mein Recht und meine Pflicht als Ihr oberster Vorgesetzter ist, um mich persönlich für meinen angesehenen Cousin Herzog Leto Atreides zu verbürgen. Ich fordere nachdrücklich die Beendigung dieses Prozesses und die Wiederherstellung seines Titels und Vermögens. Wenn Sie meiner ... Bitte stattgeben, verspreche ich, ein Kontingent imperialer Diplomaten zu den Tleilaxu zu schicken, um sie zu überzeugen, die Angelegenheit fallen zu lassen und auf eine Vergeltung an den Atreides zu verzichten.«
Shaddam bedachte die Tleilaxu mit einem langen Blick, und Leto gewann den deutlichen Eindruck, dass der Imperator auch die zwergwüchsigen Menschen in seiner Gewalt hatte. Auf irgendeine Weise. Als sie sahen, dass Shaddam die Partei des Hauses Atreides ergriff, zerbröckelte ihr Hochmut.
»Und wenn die Kläger nicht einverstanden sind?«, fragte Vidal.
Shaddam lächelte. »Ach, sie werden einverstanden sein. Ich bin sogar bereit, aus meiner Kasse eine großzügige Entschädigung für ... diesen bedauerlichen Unfall zu zahlen. Es ist meine Pflicht als künftiger Herrscher, für Frieden und Stabilität im gesamten Imperium zu sorgen. Ich kann nicht zulassen, dass alles, was mein Vater während seiner langen Regierungszeit aufgebaut hat, durch eine solche Fehde zerstört wird.«
Leto blickte in Shaddams Augen und erkannte inmitten seiner staatsmännischen Autorität einen Funken Furcht. Shaddam gab Leto ohne Worte zu verstehen, dass er den Mund halten sollte, was diesen noch neugieriger machte, welche hektischen Konsequenzen sein Bluff nach sich gezogen hatte.
Also hielt er den Mund. Aber konnte Shaddam sich erlauben, ihn anschließend am Leben zu lassen, wenn er nicht genau wusste, welche Beweise Leto gegen ihn in der Hand haben mochte?
Nach einer kurzen Besprechung unter den Richtern räusperte sich Baron Lar Olin und gab bekannt: »Dieses ordnungsgemäß eingeschworene Richtergremium des Landsraads ist zu der Erkenntnis gelangt, dass lediglich Indizienbeweise gegen Leto Atreides vorliegen. Angesichts derart gravierender Zweifel besteht keine Rechtfertigung, ein Verfahren mit solch vernichtenden Konsequenzen fortzusetzen, insbesondere nach der außergewöhnlich überzeugenden Aussage von Kronprinz Shaddam Corrino. Daher erklären wir, dass Leto Atreides vollständig von allen Vorwürfen entlastet ist und seinen Titel und sein Vermögen zurückerhält.«
Leto konnte sein Glück noch gar nicht fassen, als ihm plötzlich der künftige Imperator gratulierte und er von Freunden und Anhängern bedrängt wurde. Viele waren begeistert, dass er gewonnen hatte, aber Leto war trotz seiner Jugend nicht naiv, denn er wusste, dass genauso viele sich einfach nur freuten, dass die Tleilaxu verloren hatten.
Jubel und tosender Applaus brachen im ganzen Gerichtssaal aus, doch es gab einige, die verdächtig still blieben. Leto prägte sich ihre Gesichter genau ein, und er war überzeugt, dass Thufir Hawat in diesem Moment dasselbe tat.
»Cousin Leto«, sagte Shaddam inmitten des Lärms, »eins möchte ich noch erledigen.«
Aus dem Augenwinkel bemerkte Leto, wie etwas aufblitzte. Shaddam hatte plötzlich ein mit Juwelen besetztes Messer aus dem Ärmel gezogen. Der Griff funkelte blaugrün, ähnlich wie der Hagal-Quarz des imperialen Throns. Er hatte es blitzschnell emporgehoben.
Thufir Hawat sprang vom Verteidigungstisch auf, aber er war zu weit entfernt. Die Menge war mit einem Mal verstummt.
Dann lächelte Shaddam und ließ das Messer in die leere Scheide an Letos Hüfte gleiten. »Das möchte ich dir zu diesem glücklichen Anlass schenken, Cousin«, sagte er im freundlichsten Tonfall. »Diese Klinge soll dich stets daran erinnern, dass du einer meiner treuesten Diener bist.«
78
Wir tun, was wir tun müssen.
Zum Teufel mit Freundschaft und Loyalität.
Wir tun, was wir tun
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